Es gibt Gespräche vor dem Tod

■ In Paul Mazurskys Der Hochzeitstag redet Cher erfolgreich mit dem Killer um ihr Leben

Margaret (Cher) hat schon seit fünf Jahren eine Krise. Sie fährt den größten Rolls und wirkt dabei so unglücklich, daß Leute auf der Straße ihr Geld zustecken. Nach zwanzig Jahren Ehe ist ihr Mann Jack (Ryan O'Neal) nicht mehr interessiert und die kleinen Tablettenröhrchen sind ihr längst deutlich näher als er. Wahrscheinlich würde sie sich am liebsten umbringen. An ihrem Hochzeitstag sitzt sie allein in einem Haus, das so groß ist, daß die Räume wie Kirchenschiffe hallen. In ihrem Schlafzimmer, selbst im Bad reihen sich Monitore für die perfekte Überwachung des Grundstücks. Sie liegt im Vollbad, während ein Berufskiller schon durch den Garten streicht und ihr Gatte noch Juwelen zur 20. Wiederholung des Tags ihrer Eheschließung kauft, die er ihr nicht wirklich zu schenken gedenkt – weil er es war, der ihr den Killer geschickt hat.

Kurz danach sitzt Margaret auf einem praktischen Rollstuhl fest, gefesselt aber zum Glück nicht geknebelt, und unterhält sich um ihr Leben. Die Gespräche zwischen ihr und dem Killer (Chazz Palminteri), mit dem gemeinsam sie auf den das Startzeichen zum Mord gebenden Anruf des Gatten warten muß, sind der eigentliche Inhalt von Paul Mazurskys Hochzeitstag, einer seltsamen Komödie, die nichts von einer Komödie hat, einem Kammerstück in Riesenvilla, einer Tour de Force in traurigen Bildern. Wartend sprechen die beiden über Oralsex und Glücklichsein, Alleinsein, Liebe und Hunde; der Killer ruft seinen Analytiker an, der ein Spiel-Problem hat, und sie versucht zu pinkeln und gleichzeitig weiterzusprechen. Natürlich verschieben sich die Fronten dabei dauernd – das ist die klassische Grundvoraussetzung –, und natürlich wird das Gefüge aus Macht und Ohnmacht ständig und vielfältig gebrochen, vollzieht sich die Auflösung des Festgefügten in den Kleinigkeiten der Kommunikation. Und die hat es in sich. „Mach mich nur los und ich versprech dir, daß du nicht kuscheln mußt“, sagt sie, und Hochzeitstag ist voll von so wunderbaren Zeilen.

Der Killer hat diesen Text geschrieben: Chazz Palminteri, abonniert auf Gangsterrollen, hat sich mit dem ungeduldigen, so brutalen wie überforderten und unendlich charmanten Mörder Tony eine dünnhäutige Paraderolle auf den Leib geschrieben, indem er ein eigenes Theaterstück überarbeitete. Das Stück ist dem Film nur im Vorrang des Dialogs anzumerken, ansonsten ist Hochzeitstag ein ganzer Film – für Schauspieler. Neben Palminteri und dem als Gespenst der eigenen 70er-Jahre-Erscheinung spielenden O'Neal, glänzt Cher. Sie hat es geschafft: Sie hat sich aus der Zeit losgelöst. Als vollkommen altersloses Wesen, weit, weit jenseits von den Veränderungen gewöhnlichen Lebens, hat sie trotzdem eine solche Ausstrahlung, daß sie die Rolle der wiederauferstehenden Margaret mit leichter Bravour gestaltet. Und das Dreieck zwischen allen Gewißheiten ist perfekt. Thomas Plaichinger

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