Christdemokraten gegen christliche Kirche

■ In Bebra verhindern Union und Freie Wähler Bau einer syrisch-orthodoxen Kirche. Begründung: Es lebten sowie schon zu viele Ausländer in der Stadt

Frankfurt/Main (taz) – Da platzte am Wochenende selbst Mitgliedern der Landtagsfraktion der CDU in Hessen der Kragen: „Nicht zu akzeptieren“ sei es, daß christdemokratische Lokalpolitiker dem Bau einer christlichen Kirche in Bebra solche Steine in den Weg legten, echauffierte sich die Landtagsabgeordnete Karin Wolff. Wer sich auf die christlich geprägten Ursprünge der Gesellschaft berufe, der könne nicht die Errichtung einer christlichen Kirche verhindern, kritisierte Wolff ihre ParteifreundInnen in der nordhessischen Eisenbahnerkommune.

Was die Christdemokratin Karin Wolff so erregte, war die mit den Stimmen von CDU und Freier Wählergemeinschaft am späten Donnerstagabend im Stadtparlament von Bebra getroffene Entscheidung, den Bauantrag der christlichen aramäischen Gemeinde, in Bebra eine syrisch-orthodoxe Kirche zu errichten, „endgültig“ (CDU) abzulehnen. Begründung: Es lebten schon zu viele Ausländer in der Stadt.

In Bebra und Umgebung wohnen seit mehr als zwanzig Jahren tatsächlich rund 600 syrisch-orthodoxe Aramäer aus der Türkei. Insgesamt beträgt der Ausländeranteil neun Prozent. Warum sich die christliche Glaubensgemeinschaft der Aramäer ausgerechnet durch den Bau eines eigenen Gotteshauses „vermehren“ sollte, konnten während der hitzigen Debatte im Rathaus allerdings weder ChristdemokratInnen noch Freie WählerInnen begründen. Die Bündnisgrünen sprachen denn auch von einer „sowohl diffusen als auch offen ausländerfeindlichen Stimmung“ in Bebra, die gerade die CDU dort mit ihrer ablehnenden Haltung noch geschürt habe. „Es ist ungeheuerlich, daß ausgerechnet eine Partei, die das Wort ,christlich‘ in ihrem Namen hat, den Wunsch von syrisch-orthodoxen Christen in Bebra nach dem Bau einer Kirche verhindert“, konstatierte am Freitag der nordhessische Landtagsabgeordnete und Parlamentarische Geschäftsführer der Bündnisgrünen, Reinhold Weist.

Der Antrag der Aramäer auf den Bau einer eigenen Kirche ist eine unendliche Geschichte. Und wenn bei den Kommunalwahlen 1993 nicht die absolute Mehrheit der SPD im Stadtparlament von Bebra gekippt worden wäre, könnten die syrisch-orthodoxen Christen wahrscheinlich schon heute in ihrer eigenen Kirche den Gottesdienst feiern. Erst vor Monatsfrist war der sozialdemokratische Stadtverordnetenvorsteher von seinem Amt zurückgetreten, weil er nicht länger einem Parlament vorstehen wollte, das sich mehrheitlich durch die Demonstration von „Intoleranz“ selbst diskreditiere. Verschleppen, verzögern und den Antrag letztendlich verhindern war die Taktik von CDU und Freien WählerInnen in den vergangenen dreieinhalb Jahren.

Dabei waren die Aramäer zuvor zahlreiche Kompromisse zum Beispiel über die Größe der Kirche eingegangen. Selbst mit einem Standort außerhalb der Stadt in einem Industriegebiet waren die syrisch-orthodoxen Christen letztlich einverstanden. Doch genutzt hat ihnen diese Kompromißbereitschaft nichts. Am Ende lehnten Union und FWG selbst diesen Standort ab, weil er den Gewerbetreibenden im Industriegebiet und deren MitarbeiterInnen „nicht zuzumuten“ sei.

Entsprechend verbittert reagierte am Wochenende der Subdiakon der syrisch-orthodoxen Gemeinde in Bebra, Bersim Erden. Das Abstimmungsverhalten der CDU sei ein „deprimierender Schlag“ für die Gemeinde gewesen: „Wir haben hier eine neue Heimat gefunden und fühlen uns als Bürger dieses Landes. Und jetzt gehen ausgerechnet die Christdemokraten so mit uns Christen um.“ Bersim Erden kündigte die Prüfung rechtlicher Schritte gegen den Stadtratsbeschluß an – und die Einreichung neuer Bauanträge. Auch die Fraktion der CDU im Landtag wird in ihrer Gesamtheit demnächst Farbe bekennen müssen. Die Bündnisgrünen regten am Wochenende eine Resolution aller im Landtag vertretenen Parteien für den Bau einer syrisch-orthodoxen Kirche in Bebra an. Klaus-Peter Klingelschmitt