„Artgemäß rassereine Gotterkenntnis“

■ Rechtsextremistisch-esoterische Sekte will Norddeutschland erobern Von Markus Götte

Schiller wurde von Goethe und Mozart, Haydn und Luther von Johann Wolfgangs Spießgesellen, den Freimaurern, ermordet. FreundInnen von AusländerInnen sind „Volkszerstörer“, AntifaschistInnen gelten als Vasallen des Dalai Lama. Und an allen Mordtaten sind die Juden beteiligt. Verworren aber einfach ist die Verschwörungstheorie der antisemitisch-esoterischen Sekte „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V.“, kurz BfG genannt.

In der schleswig-holsteinischen 800-Seelen-Gemeinde Bargstedt, zwischen Kiel und Neumünster gelegen, wollen sie aktiv werden. Der Plan des vom schleswig-holsteinischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Bundes: die Errichtung eines Schulungszentrums. Daraufhin hat sich eine Bürgerinitiative in Bargstedt gegründet, die die Expansionspläne der besonders in Norddeutschland aktiven antisemitischen Sekte durchkreuzen will. Auf einer Podiumsdiskussion im Dorfkrug verfaßten vor zwei Wochen 150 AnwohnerInnen eine Resolution gegen ein rechtsextremes Zentrum im Dorf.

Die Anhänger der rassistischen Philosophie konterten mit einer PR-Offensive. Unter dem Motto: Wir sind harmlos und nicht rechtsextrem wollen sie gut Wetter für ihr Projekt machen. 400 Flugblätter haben sie dazu an Haushalte in Bargstedt und Umgebung verteilt.

Vor siebzig Jahren gründeten Erich und Mathilde Ludendorff die Urorganisation des heutigen „Bund für Gotterkenntnis (L)“. Er, der Generalfeldmarschall des Ersten Weltkriegs, putschte 1923 noch vergeblich mit Adolf Hitler in München; sie, die Chef-Ideologin des Bundes, diente sich in den 30er Jahren erfolglos der NSDAP als weibliche Führerin an. Im Mittelpunkt der wirren Ideen des „BfG(L)“ stehen noch immer die Schriften der 1966 verstorbenen Mathilde Ludendorff. 1921 erschien die Bibel der Sekte, Mathildes Standardwerk „Triumph des Unsterblichkeitswillens“. Damals reimte sie die für alle BfG–lerInnen verpflichtende Gotterkenntnis zusammen. Die „deutsche Volksseele“, schreibt sie, ist mit dem Erbgut der „arischen Lichtrasse“ angefüllt und bildet den Mittelpunkt jeder Gotterkenntnis. Durch „Ausländerei und Überfremdung“ sehen die Ludendorffer ihre „artgemäß rassereine Gotterkenntnis“ in Deutschland gefährdet.

Seit wenigen Jahren erleben die verschrobenen Ideen des Bundes eine Renaissance. So konstatieren Verfassungsschützer, daß die Auflage der Postille Mensch und Maß, die zweimal im Monat erscheint, nach einer Durststrecke wieder auf über 2000 Exemplare angestiegen ist. Themen im Blatt und in vom BfG-Verlag „Hohe Warte“ veröffentlichten Büchern: Geheimbünde und Verschwörungen, „Auschwitzleugnung“, revisionistische Geschichtsklitterung sowie Weltall- und Naturgesetze. Abgewickelt wird der Vertrieb über die Versandbuchhandlung von Gisela St. im schleswig-holsteinischen Schafstedt.

Die Apologeten des BfG tingeln regelmäßig durch Hotels in Norddeutschland. Alle paar Monate steuern sie den Festsaal der Hamburger „Moccastuben“ (Böckmannstraße 3), das Hotel „Schwarzbunte“ in Lübeck oder das Hotel „Eiderkrug“ in Kiel für ihre Bekehrungsveranstaltungen an. Ihre Jugend- und Fortbildungsarbeit garnieren sie mit Sonnenwendfeier inclusive Fackelumzug.

Inhaltlich sollen dem Nachwuchs der „Kampf gegen die Rassenmischung“ eingebleut und „die heldischen Leistungen des Mannes und die Mutterschaftsaufgabe des Weibes“ nahegelegt werden. Möglichst ungestört von der Öffentlichkeit werden diese Aktionen in verbandseigenen „Freizeitheimen“ abgewickelt: in abgelegenen Dörfern, im schleswig-holsteinischen Schönhagen-Westensee, in Versmold-Loxten in Ostwestfalen-Lippe und in Herboldshausen im Kreis Schwäbisch-Hall liegen ihre Dependancen.

Am Karfreitag haben sie an unbekanntem Ort den „130. Geburtstag von Erich Ludendorff“ begangen. Zur „streng geschlossenen Veranstaltung für Mitglieder und Freunde“ sind „selbstverständlich nur ungebundene, d.h. nur solche Menschen geladen, die nicht einer anderen religiösen oder weltanschaulichen Vereinigung angehören.“

Daß solche Feiern künftig auch in Bargstedt stattfinden, will die dortige Bürgerinitiative verhindern. Eine juristische Handhabe gegen das Vorhaben der Bündler gibt es jedoch nicht, da das Schulungszentrum in spe, die alte Schule des Dorfes, sich in Privatbesitz befindet. Peter Bajorat, Bargstedter Bürgermeister, versichert der taz dennoch, daß er etwas tun will: „Die vorliegende Bauvoranfrage der Rechtsextremen und den Antrag auf Nutzungsänderung der Rechtsextremen werde ich wohl ablehnen. Auch wenn sie nur aufschiebende Wirkung hat.“ Rainer B. von der Bargstedter Bürgerinitiative setzt auf „öffentlichkeitswirksame Aktionen und Druck der AnwohnerInnen“, um das Projekt zu verhindern. Schon vorigen Samstag hat sich die BI deshalb ans Werk gemacht. Auf Plakatwänden rund um das Gebäude heißt es nun: „Kein Nazi-Zentrum in Bargstedt“ oder „Solidarität und Völkerverständigung gegen Nazi-Ideologie und Rassenhaß“. Daß die Plakate regelmäßig übermalt oder abgerissen werden, stört die Widerständler wenig. Rainer B.: „Dann stellen wir eben neue auf. Wir lassen nicht nach.“

Morgen, am 18. April, ist das erste offizielle Treffen der Bürgerinitiative in „Peter's Grill“ in Bargstedt. Weitere Informationsveranstaltungen über Ziele und Ideologie des BfG sollen in den nächsten Wochen folgen.