In Berlin sollen die Frauenprojekte bluten

■ Frauen protestieren gegen die Sparliste des CDU-Regierungschefs Diepgen

Berlin (taz) – Die „Goldene Peanut“ bekam gestern der Regierende Berliner Bürgermeister Eberhard Diepgen vor dem Roten Rathaus von Frauenprojekten verliehen – in Abwesenheit. Drei Tage nachdem der CDU-Politiker seine Leitlinien zur Haushaltssanierung verkündet hatte, in denen er Frauen, Flüchtlings- und Behindertenprojekte explizit auf die Streichliste gesetzt hatte, krönten ihn die Frauen zum „Champion einer unsozialen, unökologischen und frauenfeindlichen Verschwendungs- und Kürzungspolitik“. Vertreterinnen von über 70 Berliner Frauenprojekten zeichneten minuziös die „Verschwendungsspur“ nach, die die Regierung ihrer Meinung nach im Haupstadtwahn hinterläßt: Verschwendet seien zum Beispiel 2,12 Milliarden Mark für die Erweiterung der Messehallen, 300 Millionen Mark für den Bau des Tiergarten-Tunnels und 15 Millionen für den Bau von drei olympischen Sporthallen.

„Daß Diepgen versucht, ausgerechnet durch Kürzungen im mickrigen Frauenetat das Haushaltsloch zu stopfen, ist milde gesagt unsinnig“, erklärte die bündnisgrüne Abgeordnete Regina Schmidt. Der Etat beträgt 36,8 Millionen Mark, das sind 0,007 Prozent vom Gesamthaushalt. Bereits im März dieses Jahres wurde er um 5,16 Millionen gekürzt, rund 20 Prozent. Das ist fast das Doppelte wie in anderen Bereichen, wo zur Haushaltskonsolidierung im Schnitt 10 Prozent eingespart wurden. „Kleine Projekte wie unsere sind dann sofort gefährdet“, sagt Sabine Wagenfeld, die beim Projekt „Zufluchtswohnungen für mißhandelte Frauen und Kinder“ in Berlin-Mitte arbeitet. „Wir haben die Arbeit in diesem Jahr trotzdem aufrechterhalten, die Projekte versuchen, keine Frau abzuweisen, aber die Bedingungen, unter denen wir arbeiten, sind haarsträubend.“ Deshalb steht der Protest der Frauen unter dem Motto: „Wir spinnen Stroh zu Gold“. Auf dem Alexanderplatz präsentieren die Projekte seit vorgestern öffentlich ihre Dienstleistungen bei Bildung, Kultur, und im Anti-Gewalt-Bereich.

Der Verein „Raupe und Schmetterling“ zum Beispiel berät jährlich 16.000 Frauen über eine erneute Erwerbstätigkeit und Existenzgründungen. Dafür stehen nur vier halbe Stellen zur Verfügung. Der Lohn beträgt 1.500 Mark netto. Die Kürzungen trieben die Mitarbeiterinnen an den Rand des Existenzminimums, sagt eine Projektmitarbeiterin. Viele Frauen arbeiteten zeitweilig umsonst. „Aber wir wissen, daß unsere Arbeit von niemandem übernommen würde, wenn wir aufgeben würden“, sagt auch Sabine Wagenfeld vom Verein Zufluchtswohnungen. „Wir beraten Frauen nicht neutral wie in vielen Ämtern, sondern ergreifen Partei. Unsere Konzepte haben wir in den letzten 20 Jahren entwickelt und immer wieder überprüft. Da kann keine Servicegesellschaft kommen und das übernehmen.“

Durch die Kürzung der Frauenprojekte solle vor allem ein Kernstück rot-grüner Politik rückgängig gemacht werden, meint die bündnisgrüne Abgeordnete Regina Schmidt.

Die sozialdemokratische Frauensenatorin Christine Bergmann kritisierte Diepgens „Leitlinien“. Berlin habe einen Verfasungsauftrag zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Ihre Pressesprecherin Beate Moser betonte, daß die Senatorin die soziale Infrastruktur der Frauenprojekte für unverzichtbar halte.

Sowohl die Opposition als auch die Frauenprojekte kritisierten die Frauensenatorin. Sibyll Klotz, bündnisgrüne Fraktionsvorsitzende: „Der Aufschrei der Frauensenatorin und ihrer Staatssekretärin blieb aus.“ Sie habe bereits Frauenprojekte eingestellt. Wie zum Beispiel Günes, ein Projekt, das Migrantinnen im gewerblich- technischen Bereich ausgebildet hat. Die Geschäftsführerin von Günes, Sevim Celebi, verwies auf den CDU-Bausenator Jürgen Klemann: der hatte weitere Kürzungen in seinem Amt schlichtweg verweigert. Karin Gabbert