RTL macht nur Spaß

Wegen Persönlichkeitsschutz: Eine mit versteckter Kamera aufgenommene Frau geht vor Gericht  ■ Von Felix Ruhl

Witzigkeit kennt keine Grenzen, sangen schon Hape Kerkeling und Heinz Schenk im Spielfilm „Kein Pardon“. Das stimmt nicht ganz, wie ein bislang einmaliger Rechtsfall jetzt belegt: Eine Freiburgerin hat einen Strafantrag gegen RTL gestellt, weil sie vor einiger Zeit mit einer versteckten Kamera aufgenommen wurde.

Die arglose Frau hatte zunächst auf eine Annonce in der BZ geantwortet, in der 25 Mark Stundenlohn fürs Babysitten offeriert worden waren. Am 20. Juli kam sie zum vereinbarten Treffpunkt, wo ihr die vermeintliche Mutter den achtjährigen Marcel übergab und dann verschwand. Über das Pflaster, das dem Kleinen am Ohr klebte, wunderte sie sich nicht weiter, sehr viel mehr aber über das, was dann geschah: Gleich eingangs erklärte Marcel, daß eine giftige Vogelspinne aus ihrer Behausung entflohen sei, die nun eingefangen werden müßte. Anschließend zerlegte er mit zwei Freunden systematisch die Wohnung, und das Telefon war so manipuliert, daß die Frau keine Hilfe herbeiholen konnte. Eine Stunde nach dem Horrortrip war die Mutter wieder da, hatte ganz andere Haare und hieß Tanja Schumann, die aus „Samstag Nacht“ bekannte RTL- Moderatorin.

„Du bist eine gierige, befriedigte Kuh“

Hinter Marcels Ohrpflaster kam ein Sender hervor und aus den Schränken quoll ein komplettes Kamerateam, das sich königlich amüsierte – RTL hat nur Spaß gemacht. Anschließend wurde der entnervten Frau eine Einwilligungserklärung zur Ausstrahlung vorgelegt, die sie prompt unterschrieb. „Ich wußte gar nicht, was ich da unterschreibe“, sagt die ausgebildete Erzieherin heute, die sich mittlerweile einen Rechtsanwalt genommen hat, der die Unterlassung der Ausstrahlung durchgesetzt hat. Die Vorwürfe: Die Frau fühlt sich durch das heimliche Filmen in ihrer Ehre und ihren Persönlichkeitsrechten verletzt und will sogar ärztlich prüfen lassen, ob sie durch den Schreck, den ihr die vermeintliche Vogelspinne eingejagt hat, ein Trauma erlitten hat.

Beileibe kein Einzelfall: Die Firma Kimming aus Oberkirch, die die Aufnahmen durchgeführt hat, legte zur gleichen Zeit im Freiburger Raum noch eine Reihe weiterer Menschen mit versteckter Kamera rein. Zum Beispiel im Europapark Rust. Auch dafür wurden Leute mit fingierten Anzeigen gelockt und in unangenehme Situationen gebracht wie das Casting für einen Schoko-Riegel: „Die haben mich in ein Kuhkostüm gehievt und zwei Kinder haben mir dauernd Nougatcreme in den Mund gestopft, bis mir schlecht wurde“, graut es einer Geleimten noch heute, die auch noch brünstige Kuhschreie von sich geben sollte. Weil sie darin nicht so geübt war, erhielt sie vom Regisseur die Anweisung: „Du bist eine gierige Kuh, eine richtig befriedigte Kuh.“ Reichlich sexistisch findet das die Frau, die sich völlig „verarscht“ vorkommt. Geld hat sie hinterher keines gesehen, und ein Urlaubstag ist auch draufgegangen. Kein Wunder, daß sie sich fragt, wo da der Witz ist.

Der Witz sei schon da, läßt die Pressestelle von RTL verlautbaren, und außerdem hätten all die anderen Gelinkten ganz toll mitgemacht. Wer das nicht mache, hätte halt keinen Humor. Außerdem habe RTL mit den Aufnahmen sowieso nichts zu tun. „Das geht nur Kimmig an“, meint Stefan Hörner, Unterhaltungsredakteur bei RTL in Köln, der noch in Rust mit von der Partie war. Jetzt versteht er weniger Spaß und bricht das Gespräch ab.

Stellt sich die Frage, ob das Filmen mit versteckter Kamera überhaupt legal ist. Die juristische Situation ist nicht einfach. Wer nicht als Person der Zeitgeschichte gilt wie etwa Politiker, hat das Recht am eigenen Bild, welches dem Paragraphen 22 des Kunsturhebergesetzes zufolge „nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden“ darf. Das betrifft aber nicht unbedingt das Filmen. Trotzdem untersagt der Paragraph 50 des baden-württembergischen Mediengesetzes „Sendungen, die in den Privatbereich einer Person ohne deren Einwilligung eingreifen“. Speziell die Intimsphäre sei zu wahren.

Erst nett plaudern, dann die Unterschrift

Diese Paragraphen betreffen jedoch nur die öffentliche Verbreitung eines Bildes, nicht die Aufnahme ohne vorherige Zustimmung. Die eigenmächtige Herstellung eines Bildnisses, zum Beispiel mit einer versteckten Kamera, fällt aber unter den Persönlichkeitsschutz. Und hier schützt der Gesetzgeber ausdrücklich das vertraulich gesprochene Wort: Demnach wird bestraft, „wer unbefugt das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt“.

Auf diesen Passus will der Anwalt der Freiburger Klägerin eine mögliche Schadenersatzklage stützen. Kimmigs Anwalt hält dagegen den Sachverhalt für völlig übertrieben. Man hätte sich mit der Frau nach dem Dreh noch eine halbe Stunde im netten Plauderton unterhalten und erst dann die Einwilligungserklärung vorgelegt. Die Rechtslage bei versteckten Aufnahmen, die Kimmig schon seit 1982 durchführt, anfangs noch für „Verstehen Sie Spaß?“, habe man „seit langem geklärt“. Juristisch sei dagegen nicht vorzugehen.

Tatsächlich ist die Rechtslage – wie so oft im Medienbereich – recht diffus. Der Strafantrag des RTL-Opfers könnte womöglich Klärung bringen. Er ist nämlich ein Präzedenzfall. Die Staatsanwaltschaft Freiburg hat die Ermittlungen aufgenommen.