Teures Wasser von der PreussenElektra

Niedersachsen privatisiert die landeseigenen Harzwasserwerke, den größten Wasserversorger des Bundeslandes. Kaufen will der Stromkonzern PreussenElektra. Die Zeche sollen die Endverbraucher zahlen  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

„Unser Grundwasser ist gefährdet, vor allem durch Nitrate und Pflanzenbehandlungsmittel aus der Landwirtschaft“, so sagt es die Sprecherin der niedersächsischen Umweltministerin. Und um „unser wichtigstes Lebensmittel, das Trinkwasser“, zu schützen, will Ministerin Monika Griefahn jetzt in einigen Trinkwassereinzugsgebieten eine grundwasserschonendere Landwirtschaft auf den Weg bringen.

Niedersachsens größtem Wasserversorger allerdings, den Harzwasserwerken, haben steigende Nitratwerte im Grundwasser schon neue Kunden beschert. Sechs Talsperren in Norddeutschlands regenreichstem Gebirge besitzen die bisher noch landeseigenen Harzwasserwerke. Da in den Wäldern über den Talsperren kein Bauer Gülle ausbringt, hat das Gebirgswasser höchste Qualität und ist nitratfrei.

Harz ist güllefrei, Harzwasser ist nitratfrei

Aus den 90 Millionen Kubikmetern Trinkwasser, die die Harzwasserwerke pro Jahr erzeugen, beliefern sie nicht nur Städte wie Bremen, Braunschweig, Hannover oder Göttingen. Auch kleinere niedersächsische Wasserversorger, die eigentlich selbst genug Wasser fördern könnten, kaufen Harzwasser hinzu. Sie bessern ihr eigenes Wasser auf, indem sie durch Mischen mit Harzwasser die Nitratwerte senken.

Die Harzwasserwerke stehen seit einiger Zeit zum Verkauf. Um Haushaltslöcher zu stopfen, will die niedersächsische Landesregierung jetzt rigoros Unternehmensbeteiligungen privatisieren. Lediglich die Anteile an der Norddeutschen Landesbank und der Volkswagen AG will Gerhard Schröder in jeden Fall im Landesbesitz halten. Die 1926 gegründeten Harzwasserwerke hat die SPD-Landtagsmehrheit erst mal in eine GmbH umgewandelt. Zur Zeit sucht das niedersächsische Wirtschaftsministerium einen ihm genehmen Käufer: 40 potentielle Erwerber im In- und Ausland habe man angeschrieben.

Öffentlich zum Verkauf ausgeschrieben wurden die Harzwasserwerke nicht. Für das „Bieterverfahren“ gebe es „keine einschlägigen Rechtsvorschriften“, heißt es in einem Vermerk des Wirtschaftsministeriums. Dieses behandelt mit der Begründung, es gehe um Firmeninterna, die Verkaufsverhandlungen vertraulich, nennt weder Namen von Kaufinteressenten noch gebotene Kaufpreise.

Bereits gegen die Umwandlung des Wasserversorgers in eine GmbH hat im es Harz Proteste gegeben. 15.000 Unterschriften wurden zunächst gesammelt, und im Mai haben eine Reihe Harzer Bürgermeister zusammen mit dem Betriebsrat des Wasserversorgers dann eine regelrechte „Volksinitiative gegen den Verkauf der Harzwasserwerke“ gestartet. Die kann mit 70.000 gesammelten Unterschriften die umstrittene Privatisierung noch einmal auf die Tagesordnung des Landtages setzen.

Die Harzwasserwerke produzieren keineswegs nur Trinkwasser und in acht kleinen Wasserkraftwerken Strom. Ihre Talsperren dienen auch dem Hochwasserschutz, und sozusagen als Gegenleistung für die Wasserlieferungen aus dem Mittelgebirge hat das Unternehmen mit seinen Überschüssen bisher Natur- und Landschaftsschutzprojekte im Harz finanziert. Die Harzwasserwerke halten etwa das „Oberharzer Wasserregal“ instand: Dieses System aus 66 Teichen und zahlreichen Wassergräben und -stollen von insgesamt 90 Kilometer Länge versorgte einst den Harzer Bergbau mit Wasser und gilt heute als einzigartiges Kulturdenkmal.

Harzwasser erhält auch Kulturdenkmäler

Nicht nur diese öffentlichen Aufgaben sehen die Gegner der Privatisierung gefährdet. Sie halten es auch für ausgemacht, daß der Käufer die Kosten der Privatisierung am Ende auf die Verbraucher abwälzen wird. „Die Harzwasserwerke haben eben in Niedersachsen ein Monopol auf die Versorgung mit qualitativ hochwertigem Wasser“, sagt etwa der umweltpolitische Sprecher der Landtagsgrünen, Christian Schwarzenholz.

„Natürlich muß die Kaufsumme am Ende über einen höheren Wasserpreis wieder hereingeholt werden“, meint auch Rainer Bettels, der Betriebsratsvorsitzende der Harzwasserwerke.

Nur im Wirtschaftsministerium in Hannover will man von einer Monopolstellung der Harzwasserwerke nicht sprechen und leugnet, daß eine Privatisierung höhere Wasserpreise nach sich zieht. Bei drohenden Preissprüngen könnten die betroffenen Stadtwerke auf andere Wasserversoger ausweichen, meint Ministeriumssprecher Rainer Peters: „Eine neue Fernwasserleitung ist doch heutzutage schnell gelegt.“

Ausgerechnet die PreussenElektra, deren Vorstand sich bester Beziehungen zu Gerhard Schröder erfreut, hat als erstes Unternehmen schon im Frühjahr ihr Interesse an den Harzwasserwerken bekundet und sich prompt den Vorwurf der Vetternwirtschaft eingehandelt. Inzwischen hat der Energieversorger gemeinsam mit den Kunden der Harzwasserwerke ein Erweberkonsortium gegründet. Dieses Konsortium hat sich vertraglich darauf verständigt, daß der Stromkonzern bei einem Kauf 33 Prozent der Harzwasserwerke direkt übernehmen soll. Weitere 41,9 Prozent sollen sechs Stadtwerke erwerben. An einem Teil dieser Stadtwerke, etwa in Hannover oder Bremen, ist wiederum die PreussenElektra beteiligt. Den Rest, 25,1 Prozent, sollen 45 kleinere Stadtwerke oder Kommunen kaufen.

Von einem Kaufpreis von 300 Millionen Mark gehen die PreussenElektra und ihre Konsorten bisher aus, und eine Wasserpreiserhöhung haben sie schon fest eingeplant. „Zumindest die Verzinsung des Kaufpreises“ hätten die Harzwasserwerke in Zukunft zu erwirtschaften, heißt es in einem Wirtschaftsprüfungsgutachten, das den kleineren Konsorten den Kauf schmackhaft machen soll.

Die Wirtschaftsprüfer rechnen damit, daß die betroffenen Stadtwerke den Kaufpreis „zu 100 Prozent fremd finanzieren“ und diese Kredite dann aus den Gewinnen der Harzwasserwerke abbezahlen.

Preise müßten nach Privatisierung steigen

Um die dann nötigen Gewinne abzuwerfen, müßten die Harzwasserwerke nach einer schon jetzt avisierten mehrjährigen Schamfrist den Preis kräftig heraufsetzen. Etwa 70 Pfennig pro Kubikmeter Wasser verlangen sie von Stadtwerken und Wasserverbänden. Nach dem Gutachten würden sich „im ungünstigsten Fall die Gebührenerhöhungen auf 0,50 DM pro Kubikmeter belaufen“. Der Endverbraucher hätte mit einer Gebührenerhöhung zu rechnen, die einen Vierpersonenhaushalt schnell mit mehreren hundert Mark pro Jahr belasten könnte.

Der Zusammenschluß mit den Kunden der Harzwasserwerke zu einem Erwerberkonsortium garantiert der PreussenElektra eine hohe Rendite ohne jedwedes Risiko. Die in das Konsortium eingebundenen Harzwasserkunden, die schließlich die Kredite aus dem Kauf ihres Anteils bedienen müssen, haben selbst Interesse an kräftigen Gewinnen der Harzwasserwerke und an Preiserhöhungen.

Außerdem erhöht per se der Zusammenschluß mit den Stadtwerken, also der Kommunalpolitik, die Chancen der PreussenElektra auf den Zuschlag. Der Erwerb der Harzwasserwerke paßt allerdings vor allem ins Unternehmenskonzept der PreussenElektra. Die liefert über ihre Töchter längst nicht nur Strom und Gas an private Haushalte, sondern beteiligt sich auch an Müllverbrennungsanlagen. In der niedersächsischen Gemeinde Schöppenstedt hat sie die privatisierte Abwasserentsorgung übernommen.

PreussenElektra-Sprecher Josef Nelles wirbt für die Aktivitäten seiner Firma mit warmen Worten. Eine umfassende Ver- und Entsorgung durch die PreussenElektra beschere den Privathaushalten „günstige Preise durch möglichst hohe Effizienz“.

Der Konzern bestimmt die Mietnebenkosten

Der Betriebsratsvorsitzende der Harzwasserwerke, Rainer Bettels, sieht das ganz anders: „Am Ende entscheidet dann die PreussenElektra allein über die Höhe unserer Mietnebenkosten“, prophezeit er. Die niedersächsischen Grünen bestreiten vehement, daß eine Privatisierung der Harzwasserwerke zu einer effizienteren Wasserversorgung führen würde. Die Harzwasserwerke seien in den vergangenen zwei Jahrzehnten völlig umstrukturiert worden und inzwischen „ein beispielhaft rationelles öffentliches Unternehmen“, sagt der Grüne Schwarzenholz. Gegen eine mäßige Erhöhung des Wasserpreises, die ja dem Land auch ohne den Umweg einer Privatisierung der Wasserversorgung Mehreinnahmen bescheren würde, haben die Grünen schon aus ökologischen Gründen nichts einzuwenden.