Fröhlich und unbekümmert am Brett

■ Der finanzstarke und ehrgeizige Schachklub Empor Berlin versucht im Europapokal, sich endlich einen Titel zu holen

Berlin (taz) – Sapperlottchen, was war los? Empor Berlin, die bestbezahlte Truppe der Schach- Bundesliga, wurde gerade mal Vierter letzte Saison, was eigentlich nicht mal für einen der drei deutschen Plätze im Europapokal gereicht hätte. Doch Meister SG Porz und Vize Solinger SG winkten ab. Da bewarb sich der nach Maul und Moneten ehrgeizigste deutsche Klub gleich noch um die Ausrichtung einer der sieben Vorrunden im europäischen Wettbewerb. Freitag (ab 14 Uhr) bis Sonntag ist der Gastgeber im Hotel Forum am Alexanderplatz haushoher Favorit auf einen der beiden Plätze für die Finalrunde Ende November in Budapest.

Am heutigen Donnerstag spielen die beiden Stars der Mannschaft erst mal Simultanschach (18 Uhr). Der eine, Wladimir Kramnik aus Moskau, ist gleich hinter Kasparow und Karpow die Nummer drei der Branche. Der in Spanien lebende Alexei Schirow ist Weltranglistenzehnter. Sie spielen zur gesellschaftlichen Einstimmung. So fröhlich und unbekümmert wie bei Empor Berlin gehe es nämlich bei keinem anderen Spitzenteam zu, erklärt ein Hinterbrettler am Biertisch. „Uns fehlt die harte Hand des Mannschaftsführers.“ Und damit Prosit, daß die gute Stimmung nicht leiden möge. Denn ob die Mäzene an einem Titel bereits genug hätten und danach den Geldhahn womöglich dichtdrehen, weiß keiner recht.

Für das Geld ist zum einen Tobias Vogel zuständig, Wirt zweier Schachkneipen in der Kurfürstenstraße und am Prenzlauer Berg. Der andere, Bernhard Schewe, macht in Kapitalanlagen und managte die Schachtruppe von Empor HO (Handelsorganisation) schon vor der Wende. Das war nicht immer leicht, denn der DDR- Schachverband bevorzugte hoheitlichere Clubs. In Schewes damaligem Betrieb waren aber noch sechs weitere Vereinsmitglieder, die ihm den Rücken freihielten, wenn er Turniere, Team und Training organisierte. Ende der 80er war Empor HO der stärkste Klub der DDR und hatte später keinen Anlaß, mehr als das Kürzel des untergegangenen Trägers aus dem Namen zu streichen.

Seit dem Beitritt zur Westliga Ende 1991 wurde von Saison zu Saison aufgerüstet, bis zunächst alle Lokalgrößen im Team vereint waren. Inzwischen sind sie längst wieder herausgefallen Das „Bosman-Urteil“, die unbeschränkte Zulassung von EU-Bürgern, gilt nämlich auch im Schach.

So hat Empor für die folgende Spielzeit den Niederländer Jan Timman und den Spanier Miguel Illescas verpflichtet. Da Schirow gleichfalls einen spanischen Paß hat, wurde das zweite Ausländerbrett neben Kramnik für den Bosnier Ivan Sokolow frei.

Der Europapokal ist der letzte Wettbewerb, in dem im Moment noch die Beschränkungen von früher gelten. Da viele Profis gleich in mehreren Ligen ihre Brötchen verdienen, soll die Ausländerklausel nächstes Jahr auf europäischer Ebene ganz wegfallen, um das völlige Chaos zu vermeiden. Dann muß nur noch jeder rechtzeitig erklären, für welchen Klub er antreten will. Der belgische Außenseiter Rochade Eupen hat schon bei dieser Europapokal-Vorrunde einen Auch-Empor-Spieler dabei: den Weißrussen Andrej Kowaljow. Anders als auf dem grünen Rasen kommen die Meister des wahren Schachs also schon mal gegen aktuelle Arbeitgeber zum Einsatz. Stefan Löffler