Die Händlerin des bunten Krieges

■ Jérôme Savary zeigt Bert Brechts Mutter Courage zwischen Schrecken und Show

Sie hat nichts von der verhärmten historischen Gestalt, jener Marketenderin aus dem 30jährigen Krieg, die Bert Brecht in seiner „Chronik“ in zwölf Bildern durch Schweden und Norddeutschland schickte. Diese Mutter Courage in der Gestalt von Katharina Thalbach hat die Aktualität des Hier und Jetzt. Sie verkauft die Reize unseres ausgehenden Jahrhunderts, von der Cola bis zum Pornoheft, all das, was die Männer an einer augenblicklichen Front interessiert: Jérôme Savary, der Leiter des renommierten Pariser Chaillot-Theaters, und bei uns immer noch am schnellsten mit den grell-bunten Bildern des Grand Magic Circus in Zusammenhang gebracht, hat die Mutter Courage auf den Balkan versetzt, nach Bosnien. Für ihn hat Brechts 1941 in Zürich uraufgeführtes Drama drei Themen, die gleich aktuell geblieben sind: „Wir sehen heute, daß der Krieg in der Geschichte der Menschheit etwas Konstantes ist. Die Barbarei geht immer weiter. Und auch der Kampf der Frauen ist konstant. Es sind immer die Frauen, die nach dem Einstellen des Feuers als erste im Freien sind, um Wasser zu holen“, meint Savary. Das dritte, ebenfalls hochaktuelle Thema, ist für ihn der Verlust der Kinder: „Mutter Courage verliert alle ihre Kinder, eines nach dem anderen, und das ist ein Aspekt des Stückes, der genauso wichtig ist wie der Krieg. Auch dieses Thema ist heute universell. In Indien verkaufen die Familien ihre Kinder, um sich zu ernähren. Ein in die Prostitution verkauftes Mädchen bringt Nahrung für ein Jahr. In Südamerika werden Augen, Nieren oder andere Organe von Kindern für Transplantationen verkauft.“

Zur Musik Paul Dessaus inszeniert Savary den Weg der Courage, die bis zum Ende meint, mit dem Krieg, dem Elend, Geld und Glück machen zu können, in fast leichten Bildern. Bühnenbildner Ezio Toffoluti gab den äußeren Rahmen für Nummern wie aus einem Frontcabaret. Hier ist der Schrecken des Krieges ein Spektakel zwischen Horrortraum und seltsamem Faszinosum. Doch auch in dieser Fassung, umgeben von Thalia-Bewährten wie Cornelia Schirmer, Nicki von Tempelhoff, Edgar Bessen oder dem jungen Benjamin Utzerath, wird Mutter Courage am Ende kaum Einsicht zeigen.

Thomas Plaichinger

Premiere, 7. September, 20 Uhr, Thalia Theater