Nasen gegen Fäule

Veterinäramt Grenzdienst: Mit Geruchsnerven und Mikroskop der Verderbnis auf der Spur  ■ Von Volker Stahl

Gerüche von pakistanischen Schafsdärmen, jordanischem Käse, argentinischen Rinderhälften, neuseeländischem Lammfleisch oder japanischem Thunfisch steigen täglich in die Nasen der Kontrolleure vom Veterinäramt im Freihafen. Die 55 MitarbeiterInnen sind verdorbenen und verseuchten Fleisch- und Fischprodukten auf der Spur: mit Geruchsnerven, Mikroskopen und ausgeklügelten Testreihen. 1995 wurden insgesamt 30.000 Proben genommen. Beanstandungsquote: zwei Prozent.

Der Arbeitstag beginnt für die Prüfer früh morgens und endet gegen 14 Uhr. Kunstlicht ist Gift für die „Röntgenaugen“ der Veterinäre. Nur bei Tageslicht lassen sich kleinste verdächtige Veränderungen bei Fleisch-, Fisch-, Ei- oder Honigprodukten erkennen. „Häufige Ursache für verdorbene Ware ist eine schadhafte oder ausgefallene Kühlanlage auf den Schiffen“, sagt die Tierärztin Ute Gramm. Es komme auch vor, daß ein Container während des Transports mal nicht richtig verschlossen sei, „aber die meiste Ware ist ok“, beruhigt Gramm.

Ohne Kontrolle geht's dennoch nicht. „Im vergangenen Jahr mußten wir zehnmal Gelantine aus Pakistan vernichten lassen. Das Zeug verströmte einen üblen Chemikaliengeruch. Untersuchungen haben eine Verseuchung mit Kesolen ergeben“, sagt Dr. Peter Mielmann, 48, Leiter des Veterinäramts Grenzdienst. Ursache der ungenießbaren Fleischpastete in Aspik: Die Paletten waren mit Holzschutzmitteln behandelt worden.

Auch verschimmelte Schnecken und verdorbenes Buschrattenfleisch aus Ghana sollen in hiesigen Restaurants nicht auf den Tisch kommen. Proben und gar beanstandete Leichenteile werden zweimal in der Woche abgeholt und in die Tierkörperbeseitigungsanstalt im niedersächsischen Bienenbüttel gebracht. Mielmanns Truppe sortiert auch mit Pestiziden behandelte Schafsdärme aus Pakistan oder auf Gummireifen geräucherte Fische aus Afrika aus der Flut der in Hamburg ankommenden Fleischlieferungen aus.

Genießbar oder verkommen – alle Proben müssen nach dem Tierkörperbeseitigungs-Gesetz vernichtet werden. Doch seit Mitte –95 machen die Grenzveterinäre eine Ausnahme. „Wir haben viele Praktikanten aus Ländern wie Pakistan und den Staaten des Baltikums. Die haben das nicht verstanden und gefragt, ob man mit den Lebensmitteln nicht etwas anderes machen könnte. Da kam mir die Idee mit Hagenbeck“, erzählt Mielmann. Der Zoo holt seitdem 150 Kilogramm Fleisch pro Woche ab. „Filet, Roastbeef, Hüfte, Hochrippe. Die Tiere bekommen nur das beste.“ Gut für die eingesperrten Kodiak- und Eisbären, die bis zu drei Kilo Fleisch täglich fressen.

„Wer jeden Tag Fleisch in diesen Mengen sieht, steigt automatisch auf Schwarzbrot mit Käse um“, sagt Mielmann, der die importierte Tierprodukte und lebenden Tiere aus Drittländern überprüft, um Verbraucherschutz, Tierseuchenabwehr und Tierschutz zu gewährleisten.

Seit der Lockerung der innereuropäischen Grenzen hat der Arbeits- aufwand der Qualitätskontrollettis im Freihafen enorm zugenommen. Mielmann: „Es ist nicht lange her, da haben wir nur 8000 Kontrollen jährlich durchgeführt. Heute sind wir für die ganze Europäische Gemeinschaft zuständig, und nicht nur für Hamburg. Durch die veränderten Rechtsvorschriften blickt aber kaum noch jemand durch. Der Zoll ist total überfordert.“

Aber immerhin: Mehr Arbeit bedeutet auch mehr Geld. 1995 entlastete das Amt den Hamburger Haushalt duch Gebühreneinnahmen um über vier Millionen Mark.