Das virtuelle Portemonnaie

■ Über den bargeldlosen Einkauf mit der Karstadt-Karte freuen sich die Datensammler

Zweimal Lächeln mit Zähnen weiß wie Kokosmark, ein glückliches Konsumentenpaar auf blassem lila Grund – so sieht die neuste Eintrittskarte zum Einkaufsparadies aus.

Ab September lockt die Essener Karstadt-AG ihre Kunden mit der Klubkarte. Mit der kann man in den 162 Karstadt-Filialen und den Konzerntöchtern wie Runners Point bargeldlos einkaufen.

Das kann man zwar jetzt schon mit jeder stinknormalen Kreditkarte. Aber schließlich steckt laut Uta Mückenheim von Karstadt Bremen viel mehr als nur eine Einkaufskarte hinter dem virtuellen Karstadt- Portemonnaie. „Das hat Klub-Charakter.“

Mit dem Kärtchen und dem heimeligen Vereinsgefühl sollen Kunden enger an den Essener Konzern gebunden werden. Weinproben und Modenschauen seien für die zukünftigen Mitglieder des Karstadt-Klubs, denn nur solche erhalten eine Karte, angedacht. Konkret aber kann Mückenheim außer dem Klubmagazin mit einer geplanten Auflage von 250.000 Stück noch nichts anbieten.

Dafür aber bietet der zukunftsgläubige Kunde der Karstadt AG etwas, nämlich neben den 20 DM Schutzgebühr tiefe Einblicke in sein Konsumverhalten. Und das paßt Leuten wie Willy Wedler, Mitarbeiter des Bremer Landesbeauftragten für Datenschutz, gar nicht. „Gegen Karten, bei denen das Kaufverhalten anonym bleibt, hätten wir gar nichts.“ Das Prinzip Telefonkarte etwa sei datenschutzrechtlich unbedenklich.

„Wenn nicht anonym abgebucht wird, und das ist bei diesen Karten hier der Fall, kann man theoretisch an den Einzelbuchungen das Kaufverhalten ablesen“, so Wedler. „Versandhäuser machen das systematisch.“

Zwar verspricht Thorsten Franz von der Essener Karstadt-Zentrale, daß man kein Interesse am gläsernen Kunden habe. „Das ist weiß Gott nicht unsere Absicht.“ Wedler aber warnt: „Auch wenn das jetzt niemand vor hat, gibt man den Firmen in solchen Fällen dennoch die Voraussetzungen dafür in die Hand, es irgendwann mal zu tun.“

Etwa, wenn die technische Entwicklung das Erstellen solcher Profile mit weniger Aufwand zuläßt. Hier sei es für Karteninteressenten ratsam, die Geschäftsbedingungen durchzulesen. Denn wenn der Kunde sein Einverständnis gibt, ist diese umfassende Art der Datenerfassung legal.

Auch die Verbraucherzentrale sieht die Einführung der Karstadt-Karte mit Bauchweh. Ein Mitarbeiter: „Wir sind eigentlich immer gegen solche Modelle, weil sie Geld- ausgeben so leicht machen und so die Verschuldung fördern.“

Die branchenübliche Bonitätsprüfung durch die konzerneigene Optimus-Bank in Neu-Isenburg verhindert, daß die Falschen in den Klub kommen. Zwar braucht König Kunde keine Angst vor überhöhten Überziehungszinsen der Optimus-Bank zu haben, die Karstadt mit der monatlichen Kartenabwicklung beauftragt hat. Die gibt selbst keinen virtuellen Kredit, sondern bucht das Verpraßte direkt vom Girokonto des Kunden ab.

Dort aber können schnell Zinsen von zehn Prozent bis zwölf Prozent, im Falle der umstrittenen Visa/Bahncard der Citibank sogar 16 Prozent für den Überziehungskredit fällig werden, wenn man beim Zücken der virtuellen Börse den Überblick verloren hat. Franz: „Wir wollen verhindern, daß Kunden zu etwas verleitet werden. Deshalb werden die Limits von Optimus individuell nach Einkommen berechnet. Allerdings nicht, um auszugrenzen, sondern als Schutz.“ Für jene aber, die entweder für die Karte nicht flüssig genug sind oder aus Angst vor der Datenpiraterie freiwillig verzichten, hat Datenschützer Wedler Trost parat. Sein Vorschlag: den vermeintlichen Fortschritt ignorieren und beim Einkaufen das Portemonnaie mitnehmen. Das reale, nicht das virtuelle.

Lars Reppesgard