Frauen und Pantoffelhelden im Vorort

■ Eine komische Wiedergeburt: Ferenc Molnárs Der gläserne Pantoffel im Thalia

Kurz nach dem 1. Weltkrieg hatte Budapest sich noch nicht so ganz daran gewöhnt, keine Vorstadt von Wien mehr zu sein. Nur einer wie der Dramatiker Franz oder Ferenc Molnár hatte damit keine Probleme. Molnár, der eigentlich mal Jurisprudenz studiert hatte, war als Bühnenautor Weltbürger, elegant, ein Lebemann – und schrieb doch oft Geschichten aus der Vorstadt und vom Rand des Daseins, von Dienstmädchen und Platzanweiserinnen.

Seine seltsame, charmante, aber durchaus auch zynische Mischung aus Märchenhaftem, Kolportage und Kitsch hatte ihn schon lange vor dem Krieg berühmt gemacht, und zeigt stilistisch in eine Richtung, die noch bis zum nächsten Krieg für andere, spätere Dramatiker wie Ödön von Horváth oder Marieluise Fleißer bestimmend war. Auch Der gläserne Pantoffel, 1924 uraufgeführt, spielte mit den Ingredienzen, die der Lebemann so liebte: Es ist die Geschichte von Irma (Annette Paulmann), einem Mädel aus der Vorstadt, die sich den Möbeltischler Sipos (Wolf-Dietrich Sprenger) als Pantoffelhelden ausersehen hat. Der aber – ein kleiner Despot (und eigentlich auch Widerling) – wurde von der Zimmerwirtin Adele (Sandra Flubacher) für sich ausgesucht. Eigentlich liebt Adele ja einen schönen jungen Mann, und von ganzem Herzen, will aber lieber den respektablen Sipos ehelichen – in der Vorstadt ist eben auf die Liebe nicht zu bauen, wohl aber auf den gesellschaftlichen Rahmen, in dem man seinen Platz finden und behalten muß.

Wie die gar nicht zurückhaltende Irma den Tischler mit allen Finten für sich zu gewinnen versucht und die ganze Vorstadtwelt ächzend und oft lächerlich funktioniert, das ist ein Stoff aus dem Theaterträume sein können. Die Wahrheiten in solchen Geschichten sind eh zeitlos, die Verklemmtheiten und Hintergründigkeiten auch.

Jürgen Flimm hat dieses eher vergessene Stück eines zumindest bei uns – zu Unrecht ebenfalls eher vergessenen Autors nicht nur für Hamburg inszeniert, sondern auch für die Wiener Festwochen, wo es im Sommer schon Erfolge feiern konnte. Das Balkanisch-Kakanische am Stoff hat er – mit Hilfe von Bühnenbildner Rolf Glittenberg – dabei anscheinend so ins allgemein Menschliche gerückt, daß die Salzburger Nachrichten sich schon fragten, ob die Hochzeitsgesellschaft bei ihm nicht irgendwo im Hamburger Hafen angesiedelt sei.

Die Ungereimtheiten des nicht immer perfekt glatten Stücks hat Flimm jedenfalls mit der Schauspielkunst seines Ensembles überdeckt. Und das dürfte ihm – mit Sven-Erich Bechtolf, Jörg Holm, Victoria Trauttmansdorff, Katharina Matz, Samuel Fintzi, Hildegard Schmahl, Cornelia Schirmer oder Hannes Hellmann das nicht schwer gefallen sein. Thomas Plaichinger

Premiere: So, 1. September, 20 Uhr, Thalia