„Eine dienstrechtliche Prüfung muß erfolgen“

■ Mitteilung des Landesrechungshofes: Haushaltsüberschreitung 1995 im Haushalt des Senators für Bildung, Wissenschaft, Kunst und Sport – Bereich Bildung – im Rahmen des Modellversuchs „Schulbauinvestitionen“

1. Prüfungsanlaß

Die ungewöhnlich hohen Überschreitungen 1995 des Modellversuchs „Schulbauinvestitionen“ im Haushalt des Senators für Bildung, Wissenschaft, Kunst und Sport hat der Rechnungshof zum Anlaß genommen, die Ursachen der Mittelüberschreitung und die Mittelbewirtschaftung im Rahmen des seit 1994 laufenden Modellversuchs zu prüfen. Dabei ging es ihm auch darum, Schwachstellen bei der Modelldurchführung im allgemeinen zu untersuchen, damit sie bei der flächigen Einführung dezentraler Ressourcenverantwortung durch entsprechende Regelungen vermieden werden können. Er hat sowohl die Haushaltsentwicklung/-führung der letzten Jahre, die letztendlich maßgebend für die Überschreitung war, geprüft, als auch die Art und Weise, wie der Modellversuch umgesetzt wurde, untersucht.

2. Prüfungsdurchführung

Anläßlich der Erhebungen, die der Rechnungshof für diese Prüfung in Ihrem Hause vorgenommen hat, sind den Mitarbeitern unseres Hauses nicht alle erbetenen Unterlagen vollständig und zum Teil erst auf Nachfrage ausgehändigt worden. In einem Fall wurde eine erbetene Tabelle in Abweichung vom Original für den Rechnungshof verändert. Die zuständigen Sachbearbeiter haben sich dabei auf Anweisungen der Behördenleitung berufen. Dadurch ist das Prüfungsverfahren unnötig erschwert worden. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf §95 LHO. Der Rechnungshof erwartet, daß derartige Behinderungen seiner Arbeit künftig unterbleiben.

Darüber hinaus haben wir während unserer Erhebungen zufällig festgestellt, daß aus den Sachakten zur Haushaltsaufstellung und zur Bewirtschaftung einzelne Vorgänge unmittelbar vor der Aushändigung der Akten an unsere Mitarbeiter entnommen worden waren. Dies ergibt sich aus Vermerken in den Sachakten.

3.1 Sachverhaltsfeststellungen

Durch zu langsamen Mittelabfluß in früheren Haushaltsjahren ist es im lnvestitionshaushalt des Bereichs Bildung immer wieder zu großen Restebildungen gekommen. Seit 1994 wird im Rahmen eines Modellversuchs eine neue Bewirtschaftungsmethode genutzt: Alle Haushaltsmittel für Schulbauten sind gegenseitig deckungsfähig; in der Erwartung, daß nicht alle Haushaltsmittel bei einer Maßnahme im Haushaltsjahr abfließen, werden den Bauämtern Haushaltsmittel und Verpflichtungsermächtigungen (VE) zugewiesen, so daß dadurch trotz an sich nicht ausreichender Anschläge alle Maßnahmen begonnen werden können; je nach Bedarf soll eine Umsteuerung/Umwandlung von VE in Haushaltsmittel erfolgen. Dies geht nur solange wie Haushaltsmittel zur Verfügung stehen.

Gesteuert werden soll der Haushalt über die Liquidität; in Höhe der Liquidität werden den bauenden Ämtern Mittel zugewiesen; Liquiditätsengpässe bedeuten nicht automatisch Haushaltsüberschreitungen, weil nicht alle zugewiesenen Mittel unmittelbar von den bauenden Ämtern verausgabt werden.

1994 wurde die Liquidität leicht überschritten. Dies hat sich aber noch nicht als Haushaltsüberschreitung niedergeschlagen. Der Abschluß des Haushaltsjahres 1994 ohne Überschreitungen war nur ein zufälliqes Ergebnis, nicht aber die Folge eines Controlling in Form einer funktionierenden Mittelsteuerung. Eine Steuerung war wegen nicht ausreichender Abstimmung zwischen dem Ressort und den bauenden Ämtern, dem fehlenden Controlling-Verfahren und mangels technischer Ausstattung noch gar nicht möglich.

Aus dem Jahr 1994 sind in Höhe von 9,548 Millionen Mark Ausgabereste nach 1995 übertragen worden; außerdem waren 1994 17,7 Millionen Mark VE erteilt worden, die zum größten Teil 1995 abgedeckt werden mußten.

In Höhe der VE waren Aufträge erteilt, die abgedeckt werden mußten, in Höhe der Ausgabereste waren notwendige Maßnahmen beschlossen, die zu Aufträgen im Folgejahr 1995 führen mußten. Trotz Vorbelastung aus dem Jahr 1994 und einem Haushaltsmittelrahmen von nur 12,266 Millionen Mark wurde der Deputation für 1995 ein Maßnahmekatalog über ein Volumen von 7,7 Mio Mark Haushaltsmittel und 6,7 Mio Mark neue VE vorgelegt (Vorl. Nr. G 442, 3.2.1995).

Wesentliche Daten in dieser Vorlage sind vom damaligen Staatsrat in Abänderung des Vorschlags des Fachreferats so verringert worden, daß ein bewirtschaftbarer ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden konnte. Nach Ansicht des Fachreferats hätten 1995 gar keine neuen Aufträge mehr herausgegeben werden dürfen; nur für Notmaßnahmen hätte eine Reserve bereitgestellt werden müssen.

Trotz fehlender/nicht ausreichender Mittel sind alle Maßnahmen begonnen worden. Bereits im Juni 1995 war das Mittelvolumen erschöpft. Durch unverminderte weitere Mittelverausgabung wurde das Haushaltsvolumen bis Jahresende 1995 um 15,444 Mio Mark überschritten.

Bis heute ist noch ungeklärt, wie und wann diese Überschreitung aus dem Haushalt des Ressorts abgedeckt werden soll/kann.

3.2 Beanstandungen

Bei der Einführung des Modellversuchs im Jahr 1994 hat das Ressort die Umstellung des Haushalts auf den Ist-Abschluß nicht beachtet. Die beteiligten Ressorts Bildung, Bau und Finanzen haben nicht geprüft, ob es andere Möglichkeiten zur Vermeidung der Restebildung gab als weitreichende Deckungsfähigkeiten.

Weil es 1994 keine Überschreitungen gab, hat der Senator für Finanzen nicht geprüft, ob überhaupt ein Controllingsystem entwickelt worden ist. Beim Abschluß des Haushaltsjahres 1994 haben die beteiligten Ressorts versäumt, eine kritische Bewertung des Erfolgs des Modellversuchs vorzunehmen.

Zum Jahresabschluß 1994 wurde das Ziel nicht erreicht, weniger Reste als in den Vorjahren zu bilden. Die Risiken der tatsächlichen Vorbelastung des Haushalts 1995 durch 1994 erteilte VE sind außer acht gelassen worden.

Trotz nicht ausreichender Mittel wurde durch die Darstellung der Finanzzahlen der Eindruck eines bewirtschaftbaren Haushalts erweckt. Deshalb hat die Deputation für Bildung zugestimmt, mit allen Maßnahmen des Maßnahmekatalogs 1995 zu beginnen. Der Einsatz von VE ist vom Ressort 1995 zu sehr ausgeweitet worden. Statt Haushaltsmitteln sind zu 50 % VE zugewiesen worden. Der VE-Anteil an der Maßnahmefinanzierung ist nicht anhand von Erfahrungswerten erhöht worden; in dem Ausmaß wie Haushaltsmittel fehlten, sind sie ohne Beachtung der durchschnittlichen regelmäßigen Zahlungsfälligkeiten eingesetzt worden.

Die zuständigen Gremien sind regelmäßig nicht oder nicht umfassend und oft zu spät über die eingetretene Haushaltsentwicklung informiert worden. Durch die Art und Weise der Berichterstattung war für die Mitglieder der Gremien die tatsächliche Haushaltsentwicklung nur schwer oder gar nicht nachvollziehbar. Durch das Fehlen eines Verfahrens zur Haushaltsmittelsteuerung wußte das Ressort selbst nie genau, in welcher Höhe noch mit Mittelabflüssen zu rechnen sein würde. Ein Überblick über das tatsächliche Ausmaß der Überschreitungen hat im Ressort nicht bestanden. Das Ressort hat sich nicht bemüht, zügig die Voraussetzungen für ein Controllingverfahren zu schaffen oder auf das in diesem Bereich bestehende Defizit hinzuweisen.

Der Modellversuch wurde 1995 um die Inanspruchnahme von VE erweitert, ohne daß vorher ein Verfahren zur Kontrolle der Festlegung und zur Abfinanzierung vereinbart wurde.

Auch nachdem die Überschreitung eingetreten war, sind unvermindert Mittel verausgabt worden. Bemühungen des Ressorts zur Schadensbegrenzung hat der Rechnungshof nicht festgestellt.

Der bis zum Sommer 1995 zuständige Staatsrat hat durch seine Eingriffe und Vorgaben maßgeblich dazu beigetragen, daß das Ressort wie geschildert gewirtschaftet hat. Die seit Beginn der 14. Legislaturperiode zuständige Behördenleitung hat es bislang nicht verstanden, die eingetretene Überschreitung auszugleichen und einen Überblick über die künftigen Prioritäten unter Beachtung der Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers vorzulegen.

Zur Abdeckung der Haushaltsüberschreitungen bemüht sich die verantwortliche Senatorin bisher nur um politische Lösungen, die sich nicht mit geltendem Haushaltsrecht vereinbaren lassen.

5. Zusammenfassende Wertung und Folgerungen

Nach Ansicht des Rechnungshofs ist es unverständlich, daß Haushaltsmittel für Baumaßnahmen in früheren Jahren nicht ausgegeben werden konnten und beim Versuch, Reste zu vermeiden, im 2. Jahr des Modellversuchs mehr als das Doppelte des Barmittelanschlags verausgabt wurde. Dies zeigt den völlig unkontrollierten Mitteleinsatz.

Nicht ausreichende Mittel, um notwendige Sanierungen im Schulbau durchzuführen, sind kein Problem, das erst 1994/1995 aufgetreten ist. Die Bewirtschaftung durch die Behörde war nach Ansicht des Rechnungshofs weniger davon bestimmt, Reste zu vermeiden, als vielmehr davon, möglichst viele Maßnahmen für die Schulen umzusetzen. Dabei war den Beteiligten bekannt, daß die von ihnen vorgenommene Bewirtschaftung irgendwann 1995 zu Überschreitungen führen mußte, denn der gesamte lnvestitonshaushalt konnte nicht ausreichen, um alle in Auftrag gegebenen Projekte zu finanzieren.

Grund für die Überschreitung war nicht, wie vom Ressort behauptet, die Eigendynamik des Prozesses bei der Umsetzung von lnvestitionsvorhaben, die dazu geführt habe, daß eine Steuerung nicht möglich gewesen sei. Die wesentlichen Ursachen der Überschreitungen lagen in der unrealistischen Mittelveranschlagung und einer leichtfertigen Haushaltsdurchführung.

Um Erfolge im Bereich der Schulbausanierung vorweisen zu können, haben Ressortverantwortliche (insbesondere der Beauftragte für den Haushalt) gegen elementare Vorschriften des Haushaltsrechts verstoßen.

Dem Rechnungshof hat sich insgesamt der Eindruck aufgedrängt, daß die Beteiligten immer wieder nur die Zahlen präsentiert haben, die eine Zustimmung erwarten ließen. Die Vorbelastungen des Doppelhaushalts 1996/97 und der Folgejahre sind vom Ressort unrealistisch dargestellt worden.

Der Rechnungshof erwartet, daß das Bildungsressort umgehend eine Gesamtübersicht über den bis jetzt vorhandenen Sanierungsbedarf erstellt und dabei auch die bislang eingeworbenen, eingeplanten VE sowie die geplante Barmittelverteilung im Zeitraum 1996-97 aufzeigt. Sie sollte der Deputation bei nächster Gelegenheit vorgelegt werden.

Der seinerzeit zuständige Staatsrat, Herr Prof. Dr. Hoffmann, hat maßgebliche Entscheidungen getroffen und durch sein Verhalten Verstöße gegen das geltende Haushaltsrecht verursacht. Prof. Dr. Hoffmann hat als Beauftragter für den Haushalt Gesamtverantwortung für die Haushaltsführung des Ressorts getragen.

In seiner Antwort vom 24. Oktober 1995 auf eine kleine Anfrage der Fraktion der AFB vom 4. Oktober 1995 hat der Senat zur Frage der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit für die Überschreitungen erklärt, daß der zuständige Senator und der Vertreter im Amt die rechtliche und politische Verantwortung tragen. Die Frage, ob der Senat für solche Fälle erwäge, „das gegebene disziplinarrechtliche Instrumentarium anzuwenden oder zu verschärfen“, hat der Senat verneint.

Aufgrund der Fragestellung und der Antwort ist unklar, ob im konkreten Fall überhaupt eine dienstrechtliche Prüfung erfolgt ist. Aufgrund unserer Feststellungen sind wir der Ansicht, daß eine Prüfung (gegebenenfalls neuerlich) erfolgen muß. In die dienstrechtliche Prüfung ist auch das Verhalten der beteiligten Behördenmitarbeiter einzubeziehen.

Der Durchführung eines Controllings hat das Ressort erst die erforderliche Beachtung geschenkt, als es zu den erheblichen Überschreitungen gekommen war. Bevor der Modellversuch fortgesetzt wird, müssen zunächst die Voraussetzungen für den Einsatz des EDV-Verfahrens zur Barmittelsteuerung soweit vorliegen, daß laufende Abfragen und Auswertungen zur Mittelinanspruchnahme und zur Auftragsvergabe durch die bauenden Ämter möglich sind. Bevor diese Grundbedingungen nicht erfüllt sind, sollten VE nicht mehr wie Barmittel zur Abdeckung von Barmittelbedarfen zugewiesen werden.

Der Senator für Bildung muß gemeinsam mit dem Senator für Finanzen ein Berichtswesen entwickeln, das den unter Ziffer 1.4 geschilderten Anforderungen gerecht wird. Die Dezentralisiemng von Verantwortlichkeiten setzt ein bestehendes Controlling voraus. Der Senator für Finanzen muß seine Kontrollfunktion kritischer wahrnehmen, als es bislang der Fall gewesen ist. Die Delegation der Ressourcenverantwortung auf die Fachressorts bedingt eine zeitnahes Controlling durch den Senator für Finanzen. Dies kann er nur, wenn er Steuerungsinstrumente besitzt und auch einsetzt. Wichtigstes Steuerungsinstrument müssen die von den Ressorts zu liefernden Berichte sein. gez. Spielhoff