■ Vier Jahre Haft gegen den US-Neonazi Gary Rex Lauck
: Seriöses Urteil, dubiose Grundlage

Das anständige Deutschland, das aus der Geschichte gelernt hat und folglich weder Adolf Hitler noch das Zeichen seiner kriminellen Massenvereinigung, das Hakenkreuz, mag, darf aufatmen. Der 43jährige Gary Rex Lauck, bekennender Neonazi aus den USA, fand keine milde gestimmten Deckert- Richter, sondern eine „Staatsschutzkammer“ beim Landgericht Hamburg, die sich auf austeilende Gerechtigkeit versteht. Vier Jahre Gefängnis – das ist, gemessen an der Höchststrafe von fünf Jahren, gewiß nicht zu knapp und wird dem „deutschen Ansehen in der Welt“ nützlich sein. Doch die Genugtuung sollte sich besser in Grenzen halten.

Die Hamburger Richterinnen und Richter erlagen weder lauer Indifferenz noch nachholendem Verfolgungseifer. So gesehen ist ihr Urteil seriös und diskutabel, ja, es ist fast maßvoll angesichts der Tatsache, daß Lauck seit anno 1972 geradezu die „Karikatur“ eines Bilderbuchnazis mimt, wie der klug prozessierende Vorsitzende Richter Günter Bertram anmerkte. Das Urteil erging allerdings auf einer fragwürdigen Rechtsgrundlage. Der Angeklagte wurde nicht für das verurteilt, was er tat, sondern allein für das, was er via NS-Kampfrufsagte. Die Strafparagraphen gegen verfassungswidrige Propaganda, Volksverhetzung und „Auschwitzlüge“ – sie allesamt statuieren Meinungsdelikte. Sie sollen dem Staatsschutz beziehungsweise dem Minderheitenschutz dienen, bedrohen aber vor allem die Freiheit der politischen Auseinandersetzung. Bestrafte man Lauck nicht fürs Hantieren mit dem Hakenkreuz, sondern für den Import von Hammer und Sichel, seine heutigen Gegner sprächen ohne Umschweife von Zensur.

Lauck ist ein im Grunde unzurechnungsfähiger Wirrkopf, der nicht gefährlich, sondern nervtötend ist. Das „Zellensystem“ seiner „Untergrundkämpfer im Reichsgebiet“ existiert nicht. So konnte denn das Gericht, wie es eingestand, keinen einzigen Fall belegen, wo Haßpropaganda in konkrete Taten umschlug. Doch das brauchte es auch gar nicht: Bei „Klimadelikten“ genügt die abstrakte Störung des „öffentlichen Friedens“. In Deutschland.

Warum aber weigerte sich die US-Regierung beharrlich, Lauck auszuliefern? Warum ist sein Geschwafel in den USA nicht etwa strafbar? Solche Fragen konfrontieren mit dem Rechtsgefälle zwischen freedom of speech und Meinungsfreiheit. Es ist ziemlich groß und belegt ein radikal anderes Verständnis der Bürgerrechte. Dem anständigen Deutschland kann es nicht schaden, über dieses Rechtsgefälle nachzudenken. Horst Meier

Jurist und Autor, lebt in Hamburg