Süd-Koreas Polizei überrennt Studenten

■ In den frühen Morgenstunden stürmen Spezialeinheiten die Uni von Seoul. Die meisten Demonstranten ergeben sich, doch einigen hundert gelingt die Flucht. Die Polizei jagt sie durch die Stadt

Seoul/Berlin (AFP/taz) – Der Sturmangriff begann im Morgengrauen: Acht Tage nach Beginn der Unruhen an der Yonsei-Universität in Süd-Koreas Hauptstadt Seoul hat die Polizei in der Nacht zu gestern den Campus unter ihre Kontrolle gebracht. In Kampfanzügen gingen mehrere tausend Angehörige von Spezialeinheiten mit Knüppeln und Tränengas auf die Demonstranten los. 2.500 Studenten wurden festgenommen, zahlreiche erlitten Verletzungen. Nach anfänglichem Widerstand schwenkten die meisten weiße Fahnen und ergaben sich. Mehreren hundert Studenten gelang es jedoch, aus dem Universitätsgebäude zu entkommen. Augenzeugen berichteten, die Anti-Terror- Truppen seien völlig verblüfft gewesen, als sie ein Gebäude bei der Erstürmung leer vorfanden.

Die Spezialeinheiten starteten die Aktion im Morgengrauen. Mit Stahlschneidern durchbrachen sie die Barrieren, mit denen sich die Studenten verschanzt hatten. Aus Hubschraubern wurden ganze Einheiten von Anti-Terror-Trupps abgesetzt, die die Aktion der Polizei unterstützen sollten.

Die Aktivisten an der Yonsei- Universität hatten zunächst erbitterten Widerstand geleistet und Steine, Brandbomben und Möbelstücke aus den Fenstern geworfen. Nach etwa einer Stunde waren jedoch die ersten weiße Fahnen zu sehen. Völlig erschöpft stellten sich die Studenten der Polizei. Die Sicherheitskräfte hatten die Studenten in den letzten Tagen regelrecht ausgehungert. Der Campus wurde vollständig abgeriegelt, um die Eingeschlossenen von der Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten abzuschneiden. Die Eingeschlossenen mußten deshalb Leitungswasser trinken, das in Seoul stark verunreinigt ist.

Um die Zahl der Verletzten möglichst gering zu halten, hatte die Polizei vor dem Einsatz am Fuße der Universitätsgebäude Matratzen ausgelegt und Sprungtücher gespannt. So sollte Aufgabewilligen die Möglichkeit gegeben werden, die Häuser gefahrlos zu verlassen. Dennoch wurden viele Studenten verletzt. Mindestens zehn mußten in Krankenhäuser gebracht werden. Jene, die aus der Uni fliehen konnten, wurden gestern von der Polizei gejagt.

Die Polizei hatten das Universitätsgelände am Montag vergangener Woche abgeriegelt, um die jährlichen Studentendemonstrationen für die Wiedervereinigung mit dem kommunistischen Nordkorea zu verhindern. Bei den Unruhen wurden 704 Polizisten und Hunderte von Studenten verletzt. Insgesamt wurden mehr als 4.800 Demonstranten festgenommen, 69 bislang offiziell angeklagt.