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: Externe Lenkungsmacht

„Beziehungskisten: Der Computer und sein Mensch“, Mi., 21.45, ARD

Aus der Perspektive des Computers sehen die Menschen ganz schön blöd aus. Raufen sich die Haare, murmeln wirres Zeug („Macht er's, oder macht er's nicht?“), kurven wie wild mit der Maus über den Schreibtisch oder hacken mit zwei Fingern auf die Tastatur ein, während die Zunge angestrengt aus dem Mund hängt. Ein schöner Einfall, die Kamera zwischen Tastatur und Schirm zu verstecken.

Vor den häßlich Kisten, die ihnen bedingungslosen Fortschritt signalisieren, scheinen die Menschen zu degenerieren. Immer von der latenten Angst getrieben, die Entwicklung zu bequemerer Lebensform zu verpassen, befällt selbst rationale Gemüter beim Anblick kryptischer „error“-Warnungen der Gedanke an externe Lenkungsmächte. Zwischen Wohnzimmerkonsolen und Büroterminals weigern sich nur noch die wenigsten, zu glauben, daß ihr Computer ein Eigenleben führt: „Mal sehen, ob er mich reinläßt.“

Ganz ohne Kommentar zeigte der Münchener Filmautor Claus Strigel eine panoptische Galerie der User von nebenan. Zum Beispiel den hektischen Journalisten, der vor lauter High-Tech- Gerümpel auf seinem persönlichen Datenhighway die Ausfahrt zur Küche nicht mehr findet, geschweige denn das Klingeln richtig zuordnen kann: „Nicht drangehen, das ist wahrscheinlich das Fax!“

Oder der fahle Informatikstudent, der mit der Kettensäge zur Entspannung ein paar virtuelle Gestalten auslöscht: „Jetzt habe ich aus Versehen eine Leiche in Stücke gesprengt.“ Und wie tröstend ist es für den Laien, daß selbst bekennende Computerfreaks ab und zu hinter den Schreibtisch kriechen, um die Stecker neu zu verprokeln. Die Montage aus optischen Ikonen der Bildschirmoberfläche und dem Film davor dokumentierte die verspielt-verzweifelte Technikbegeisterung, die nicht mehr danach fragt, ob man all die Stunden nicht sinnvoller hätte verbringen können. Statt dessen fungiert der Computer als flimmerfreie Projektionsfläche für Allmachtsphantasien, aber auch der Angst vor Versklavung.

„Der Computer und sein Mensch“; der Titel des Films nahm das Fazit vorweg, dem man sich so endgültig gar nicht anschließen mochte. Ein schöneres Schlußwort lieferte eh das Pärchen, das sich mal „online über den Weg gelaufen“ war und anschließend auch „offline“ zueinander fand. Auf die Frage, wozu sie trotzdem noch ständig am Computer sitzen, kam die Antwort wie ein Doppelklick: „Besser als Fernsehen ist es allemal.“ Viel ist das nicht. Oliver Gehrs