Mit Razzien gegen die Sogwirkung

■ Hamburger Modell: Kieler Polizei will offene Drogenszene am Bahnhof zerschlagen / „Szene soll verunsichert werden“

Mit einem „schärferen Vorgehen“ will die Kieler Polizei die offene Drogenszene rund um den Hauptbahnhof zerschlagen. Fünf Razzien wurden innerhalb einer Woche im Zentrum der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt gestartet. „Rund um den Bahnhof hat sich seit einigen Monaten eine offene Drogenszene etabliert. Das Rauschgift wird also völlig ungeniert gehandelt und eingenommen“, sagt der Leiter der Polizeiinspektion Kiel, Wolfgang Pistol.

Erfahrungen aus Hamburg und Frankfurt hätten gezeigt, daß eine offene Rauschgiftszene sich nicht nur verfestige, sondern auch ausweite. Pistol: „Sie entfaltet eine Sogwirkung. Auf keinen Fall darf sich so etwas etablieren.“ Es gehe um mehr als um strafrechtliche Verfolgung: „Die Szene soll verunsichert werden.“

Wo illegalisierte Drogen gehandelt und eingenommen werden, hat man auch in Kiel gemerkt, steigt die Kriminalität. „150 bis 200 Mark benötigt ein Junkie am Tag für seine Drogen“, sagte Pistol. Da die Abhängigen zumeist arbeitslos seien, müßten sie sich das Geld auf andere Weise beschaffen. In der Gegend am Kieler Hauptbahnhof hätten sich in letzter Zeit die Einbrüche in Geschäfte gehäuft. „Auch die Angst in der Bevölkerung wächst“, berichtete der Polizeichef. „Passanten werden auf aggressive Weise bedroht.“ Zudem seien Kinder gefährdet, denn immer mehr Spritzen würden gefunden.

Bei den bisherigen Einsätzen wurden rund 100 Personen vorläufig festgenommen. Ihnen wurden geringe Mengen Heroin, Kokain und Haschisch, aber auch Hehlergut und Fixerutensilien abgenommen. Unter den 20 bis 44 Jahre alten Personen seien nur wenige Wiederholungstäter gewesen, sagt Pistol. „Das ist einerseits ein Zeichen für einen ersten Erfolg. Es zeigt aber auch, daß die Szene viel größer ist als wir dachten.“

Etwa 1000 Drogenabhängige werden in Kiel vermutet. Doch noch etwas hat Polizist Pistol aus Hamburg gelernt: „Die Polizei kann aber nicht das Drogenproblem lösen“, sagt er und verweist auf Drogenberatungsstellen und soziale Dienste der Stadt. Ein Gesamtkonzept, meint er, „ist unbedingt erforderlich.“ dpa