Bayern verabschiedet eigenes Abtreibungsgesetz

■ Der Abstimmungsmarathon im Landtag ging unter rhetorischen Ausfällen zu Ende. Ab 1. September müssen Frauen wieder die Gründe für den Abbruch darlegen

Berlin (taz) – Ohne Angabe von Gründen kein Beratungsschein, ohne Beratungsschein keine legale Abtreibung, Abtreibung ohne Schein: Gefängnis. Zu diesem Ergebnis des bayerischen Landtags – durchgesetzt mit den Stimmen der CSU – hätte um Haaresbreite noch der bayerische SPD-Chef im Rechtsausschuß und erklärte Gegner des neuen Gesetzes, Klaus Hahnzog, beigetragen. Der hatte sich am späten Dienstag abend bei der Abstimmung über das umstrittene neue Abtreibungsgesetz versehentlich mit der regierenden CSU von seinem Sitz erhoben und konnte laut dpa nur durch „vehementen Körpereinsatz“ seines Sitznachbarn Albert Schmidt zurückgehalten werden. Soviel der Komik.

Der Rest der Geschichte, die gestern zu Ende gegangen ist, erzählt sich zwar ebenfalls wie eine Episode aus dem Tollhaus – mit Komik hat Derartiges aber bekanntlich nichts zu tun. So vermerkt das Protokoll der mehr als 120stündigen Marathonsitzung auch einen „Rufmord“, so der SPD-Mann Hahnzog, begangen von dem Chirurgen und CSU-Abgeordneten Thomas Zimmermann. Der hatte einen unter den Zuhörern sitzenden und auf Abtreibungen spezialisierten Mediziner als „Massentöter ungeborenen Lebens“ tituliert. Der daraufhin von der SPD angerufene Ältestenrat des bayerischen Landtags befand: Zimmermanns Äußerung sei nicht zu rügen. „Töter“ sei im Gegensatz zu „Mörder“ keine Beleidigung.

Neben dem Begründungszwang, dem Frauen in Bayern ab dem 1. September unterliegen, werden auch die Ärzte in ihrer freien Berufsausübung beschränkt. Im Unterschied zu der bundesgesetzlichen Regelung schreibt das bayerische Gesetz unter Strafandrohung eine besondere Genehmigung für ÄrztInnen vor, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen wollen. Auch dürfen bayerische MedizinerInnen sich nicht mehr auf Abtreibungen spezialisieren, da künftig nur ein Viertel ihrer Einnahmen aus Schwangerschaftsabbrüchen stammen darf. Schon jetzt sind Verfassungsbeschwerden betroffener ÄrztInnen in Arbeit.

Aber auch hinsichtlich der Zwangsberatungsregelung ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. So erwägen die Bündnisgrünen, dem Sondergesetz durch eine ergänzende Regelung der Bundesgesetze den Boden zu entziehen. Und die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger denkt an eine Klage des Bundestags vor dem Bundesverfassungsgericht. Julia Albrecht

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