Kein Asyl für Albaner

Kosovo-Flüchtlinge werden als Gruppe nicht verfolgt, meint das Oberverwaltungsgericht Koblenz  ■ Von Marion Mück-Raab

Mainz (taz) – Albaner aus der von Serben beherrschten Provinz Kosovo haben aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit keinen Anspruch auf Asyl. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im Fall eines Kosovo- Albaners und hob dessen Asylberechtigung auf. Das Gericht gibt damit der Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten statt, der eine „Gruppenverfolgung“ der rund zwei Millionen Albaner im Kosovo bestreitet und in Hunderten von Fällen gegen die Anerkennung albanischer Flüchtlinge aus dem Kosovo geklagt hat.

Der 55jährige Flüchtling war im Dezember 1990 zusammen mit seiner Familie nach Deutschland gekommen. Schwere Mißhandlungen durch die serbischen Behörden und die Angst, dasselbe Schicksal zu erleiden wie sein an den Folgen polizeilicher Übergriffe verstorbener Bruder, veranlaßten ihn, die südserbische Provinz zu verlassen. Im Februar 1991 erkannte das Bundesamt ihn als asylberechtigt an, auch den übrigen Familienmitgliedern wurde die Rechtsstellung von Asylberechtigten zuerkannt. Die hiergegen gerichtete Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, die in der ersten Instanz abgewiesen wurde, hatte jetzt Erfolg. Gegen die sechsköpfige Familie wird nun eine Ausreiseandrohung erlassen.

Rund 120.000 abgelehnte Asylbewerber aus dem ehemaligen Jugoslawien halten sich derzeit noch in Deutschland auf. Die große Mehrheit davon sind junge Männer aus dem Kosovo, die sich durch Flucht dem Wehrdienst entzogen haben. Über ihre Rückführung wird derzeit mit Belgrad verhandelt. Über den genauen Inhalt dieser Gespräche ist in Bonn nichts zu erfahren. Die Verhandlungen, sagt eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums, gestalteten sich schwierig. Denn Belgrad hat wenig Interesse an einer Rücknahme seiner Staatsbürger. Wann es zum Abschluß eines Rücknahmabkommens kommt, ist noch unklar.

Doch Bonn ist optimistisch, daß die Flüchtlinge bald in den Kosovo zurückkehren werden, zumal das föderale Parlament der Bundesrepublik Jugoslawien gerade ein Amnestiegesetz für rund 12.500 Deserteure erlassen hat. Die Demokratische Liga für Kosovo, in der die Mehrheit der Albaner in Deutschland und Europa organisiert sind, und die Gesellschaft für bedrohte Völker warnen vor einer solchen Rückführung. Mit der „Deportation“ in das „derzeit gefährlichste Krisengebiet Europas“ riskiere die Bundesregierung einen neuen Balkankrieg. In dem zu 90 Prozent von Albanern bewohnten Kosovo, dessen Autonomiestatus im September 1990 von Serbien aufgehoben wurde, hat die serbische Regierung ein Apartheidsystem nach südafrikanischem Muster errichtet. Hunderttausende Albaner wurden aus der staatlichen Industrie, aus dem Gesundheits- und Bildungswesen und aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Menschenrechtsorganisationen berichten von Massenverhaftungen, Polizeiüberfällen, Mißhandlungen und Folter. Fast eine halbe Million Albaner im wehrfähigen Alter flohen vor den Repressionen ins Ausland. Die Menschenrechtskomitees registrierten allein 1995 rund 25.000 Gewaltakte serbischer Sicherheitskräfte gegen Albaner.

Die Lage im Kosovo hat sich in diesem Jahr keineswegs beruhigt. Im Gegenteil, die Auseinandersetzungen zwischen Serben und Albanern drohen neuesten Meldungen zufolge zu eskalieren. So geht die Gesellschaft für bedrohte Völker davon aus, daß zwischenzeitlich kein Albaner vor politischer Verfolgung durch die serbische Staatsmacht mehr sicher ist. Auch amnesty international äußert Bedenken gegen eine pauschale Rückführung. Die Menschenrechtssituation, so ai-Flüchtlingsreferent Wolfgang Grenz, sei brisant.

Von einer „Gruppenverfolgung“ kann nach Auffassung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten jedoch nicht die Rede sein. Die Unterdrückungsmaßnahmen der Serben hätten noch keine solche Verfolgungsdichte erreicht, daß sich wirklich jeder Albaner bedroht fühlen müsse.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom Juli 1994 die Voraussetzungen für eine Gruppenverfolgung konkretisiert. Das höchste Verwaltungsgericht in Rheinland-Pfalz folgt nun der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Es führt in seiner Entscheidung aus, daß „Gruppenverfolgung“ eine „Verfolgungsdichte“ voraussetzt, welche die „Regelvermutung eigener Verfolgung rechtfertigt“. Solange die Serben die Albaner nicht flächendeckend verfolgen, was das „serbische Verfolgungsprogramm“ nicht zu leisten vermag, müsse nicht jeder Albaner um sein Leben und das seiner Familie fürchten.