Gern mit unklarer Gefühlslage

Schwule sind auch bei uns längst in Serie gegangen. Ein grober Soap-Überblick  ■ von Frank M. Ziegler

Schon 1989 sang Max Goldt, was er vom Schwulen in der deutschen Endlosserie hält: „Jeden Sonntag bin ich glücklich, daß Carsten nicht mein bester Freund ist – schallalah!“ Damals war Carsten Flöter aus der „Lindenstraße“ ja auch noch so ziemlich der einzige Schwule in Serie. Abgesehen natürlich von Steven Carrington, der ewig leidend durchs geldgeile Denver stakste. Aber der gilt eigentlich nicht, weil er Ami ist.

Deutsche Soap-Schwule jedenfalls waren damals Mangelware. Aber schließlich waren ja auch deutsche Soaps Mangelware. Heute dagegen dürfen wir endlich jeden Tag schwule oder lesbische Liebe in unserer deutschen Glotze bekucken. Diese Schicksale! Das von Gero zum Beispiel, der sechs Monate an seinem Coming-out in „Verbotene Liebe“ bastelte. So was ist ja auch schwer, wenn man ewig und drei Folgen mit der schönen Julia verlobt war und sich jetzt „nicht ganz klar über seine Gefühle ist“. In „Jede Menge Leben“ hieß Gero ja lange John und wurde von Nicole geliebt. Aber John war sich auch irgendwie „nicht ganz klar über seine Gefühle“. Vor fünf Monaten kam's dann raus: John ist schwul! Und kaum wissen es alle, da wirft sich die arme Hetera- Nicole auch sofort aus Liebeskummer eine Überdosis Tabletten ein. Und Johns Mitbewohner Julian verläßt natürlich fluchtartig die WG, bevor es da zu sexuellen Übergriffen kommt. Natürlich überlebt die arme Nicole ihren dilettantischen Suizidversuch. Tote durch Coming-out gibt es nämlich sowohl in der Realität als auch in den deutschen Soaps so gut wie nie. Höchstens mal bei den skandalsüchtigen Amis, wenn Papa „Denver Clan“ Blake den Liebhaber seines Sohnes vor Wut aus Versehen mit dem Kopf ans Kaminsims schubst. Da tropft die Dynamik dann aber aus dem Fernseher wie das Styling-Gel weiland aus Robert Engels Yuppie-Frisur. Der böse Herr Engel lief übrigens bis Folge 354 zusammen mit Carsten Flöter durch die „Lindenstraße“. Aber er war gar nicht „so richtig“ schwul. Eher so „bi“. Ich vermute, daß er sich „über seine Gefühle nicht so ganz im klaren war“.

In der RTL-Soap „Unter uns“ war unheimlich lange der Armin schwul. Aber das hat sich jetzt auch gegeben. Denn Armin tat immer nur so, damit er in einer Frauen-WG wohnen durfte. So machen das nämlich die Heteros. Dumm für Armin, daß er sich in seine Mitbewohnerin Jennifer verliebte. Da flog alles auf, und „Unter uns“ ist der Schwulenthematik jetzt völlig beraubt. Da kann man wohl nix machen. Es sei denn, daß Armin sich eigentlich doch „nicht so ganz klar über seine Gefühle“ ist.

Wenig Hoffnung auf schwule Tendenzen zeigen indes die RTL- Dauertragödie „Guten Zeiten, schlechte Zeiten“ und der ARD- „Marienhof“. Da sind die Männer alle so hetero, wie man nur sein kann, und daß Sülo Özgentürk oder der etwas zu dünn geratene Simon plötzlich ihre Liebe zu Marco Busch entdecken könnten, scheint eher unwahrscheinlich. Die ARD hat ja auch schließlich schon genug Schwulitäten in die Serienlandschaft geschmissen. Mit dem Lesbischsein dagegen taten sich bisher alle Sendeanstalten noch etwas schwer. Aber seit Anfang des Jahres ist dieses Tabu auch keins mehr: Im „Marienhof“ knutscht Babette mit Andrea, in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ hat Saskia was mit einer Chinesin, und in der „Lindenstraße“ läßt seit einigen Wochen sogar Tanja Schildknecht- Dressler ihren Doktor im Rollstuhl hocken, um mit Drogentussi Sonja „im Wald zu bumsen“.

So richtig gerne sehen die erwachsenen Zuschauer homosexuelle Liebe in den Favorit-TV- Soaps ihrer Kinder aber immer noch nicht. Denn: Womöglich sind sich die Kids vor der Glotze alle „noch nicht so ganz klar über ihre Gefühle“, und man weiß ja, wie Fernsehen den Charakter verdirbt.