„Platt, daß sich jemand sorgt“

■ Rollende Arztpraxis: HelferInnen berichten über ihre ersten Erfahrungen mit einem „Krankenpflegemobil für Obdachlose“

Obdachlose sind auch Menschen. Sie haben eine „eigene Persönlichkeit, Schamgrenzen und Zusammengehörigkeitsgefühl“. Zu diesem erhellenden Ergebnis kamen gestern VertreterInnen von Caritas und Hamburger Sozialbehörde. Sie berichteten über erste Erfahrungen mit ihrem Gemeinschaftsprojekt „Krankenpflegemobil für Obdachlose“: Schon seit Januar kurven in St. Pauli und St. Georg eine ehrenamtliche Krankenschwester und ein Zivildienstleistender herum, um gezielt Obdachlose aufzusuchen und sie medizinisch-pflegerisch zu betreuen.

Zeitweise sind auch ehrenamtlich ein Arzt und ein Sozialarbeiter dabei. Hauptsächlich würden sie „Hautausschläge, entzündete Füße, Geschwüre, Schlägereiverletzungen und Wunden aller Art“ behandeln, sagt Dr. Marcus Wyrwol. In der Erprobungsphase hätten sie bisher zirka 150 Personen von insgesamt 1000 „potentiellen Kunden“ (Caritas-Projektleiter Dieter Ackermann) versorgt.

Ob er nicht Angst habe, „eine in die Fresse zu bekommen“, hätten ihn seine Kollegen anfangs gefragt, erzählt Dr. Wyrwol der taz. Da gebe es jedoch keine Probleme, „zu vielen „StammkundInnen haben wir mittlerweile ein fast freundschaftliches Verhältnis.“ Projektleiter Ackermann: „Die Wohnungslosen haben unsere Pflegekräfte anfangs staunend und geradezu ungläubig begrüßt. Die waren platt, daß sich jemand um sie sorgt.“

Die aufsuchende medizinische Betreuung für Menschen sei dringend nötig, weil „viele Obdachlose das allgemeine Gesundheitsversorgungssystem aus Scham, Angst oder Unkenntnis nicht in Anspruch nehmen“, sagte Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel.

Und Ackermann ergänzt: Viele Obdachlose hätten schlechte Erfahrungen bei Arzt- oder Krankenhausbesuchen gemacht und „wollen da nicht mehr hingehen.“ „Illusionär“ findet Wyrwol den Appell von Fischer-Menzel an Hamburger ÄrztInnen, den „benachteiligten Personenkreis“ nicht abzuwimmeln und sie – wie alle anderen auch – zu behandeln. „Da gibt es kaum einen, der das machen wird“, mutmaßt er.

Zur Zeit wird das Projekt größtenteils durch SponsorInnen finanziert, mit deren Hilfe ein Behandlungs-Bus angeschafft und die Erstausstattung gekauft wurde. Laut Sozialsenatorin Fischer-Menzel soll ab Juli die Behandlungspflege über die gesetzlichen Krankenversicherungen abgerechnet und die laufenden Kosten über Sozialhilfemittel und Spenden bestritten werden. Markus Götte