Nur ein routinemäßiges Nachhaken

Lübecker Brandanschlag: Staatsanwaltschaft will keine neuen Ermittlungen einleiten, knöpft sich aber noch einmal die vier Rechten aus dem Osten vor. Hauptverdächtiger bleibt Safwan Eid  ■ Aus Lübeck Bascha Mika

Für Überraschungen ist die Lübecker Staatsanwaltschaft immer gut. Noch Ende letzter Woche hatte sie verkündet, daß die Spur, die vom Lübecker Brandhaus ins östliche Grevesmühlen führte, „abgearbeitet“ sei. Doch gestern und vorgestern hat sie die vier Jungmänner, die in der Brandnacht am Tatort gesehen worden waren, noch einmal vernommen. „Das ist routinemäßiges Nachhaken“, meinte Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schultz prompt, „das ist nichts Dramatisches, und es ist keine Wiederaufnahme der Ermittlungen.“ Auch „neue Erkenntnisse“ gebe es bisher nicht.

Verpflichtet fühlt sich die Staatsanwaltschaft zu diesen Untersuchungen nicht. Schultz: „Ich will mal offenlassen, ob wir das überhaupt machen müssen.“ Grund für das „Nachhaken“ sei die „öffentliche Kritik“ an den Ermittlungsmethoden.

Die Grevesmühlener, die nachweislich Kontakt zur rechten Szene haben, waren am Brandtag festgenommen worden. Doch trotz Brandspuren bei drei der Verdächtigen waren sie kurze Zeit später wieder frei. Für die Zeit des Brandausbruchs hätten die drei ein Alibi, ließ die Staatsanwaltschaft wissen. Bei der Mordbrennerei in einem Lübecker Flüchtlingsheim am 18. Januar starben insgesamt zehn Menschen, darunter auch Kinder.

Zu den Ursachen ihrer Brandverletzungen hatten die drei Grevesmühlener drei widersprüchliche Angaben gemacht: Der eine sprach von einem angezündeten Hund, der zweite von Feuer aus seinem Ofen, der dritte von einer Stichflamme aus einem Benzinkanister. Die Staatsanwaltschaft fügte von sich aus noch eine vierte Vermutung hinzu: Die Jungmänner hätten Autos geknackt und abgefackelt. Doch sie überprüfte keine einzige dieser Angaben. Damit fängt sie jetzt an – ein halbes Jahr zu spät.

Staatsanwalt Schultz schätzte die Chancen für eine Spurensicherung gestern mau ein: „Ich glaube nicht, daß man da weiterkommen kann.“ Und sofort rechtfertigt er sich mit einem Satz, den jeder Kriminalist bestreiten würde: „Es hat ja nie eine echte Überprüfungsmöglichkeit gegeben, auch vor einigen Monaten nicht.“ Für ihn, so Schultz, gelte nach wie vor das Alibi der Grevesmühlener. Doch dieses stützt sich auf die Zeit des Brandausbruchs. Und bereits im März hatten die Brandgutachter von Landes- und Bundeskriminalamt schriftlich zu Protokoll gegeben: Die Zeit für den Ausbruch des Brandes ist unklar. „3.30 Uhr oder früher.“ Damit war das Alibi der Grevesmühlener schwer erschüttert. Trotzdem wurden sie nicht erneut überprüft. Erst vorgestern ließen sich die Beamten von Dirk T. auf dem Autofriedhof ein Wrack zeigen, daß er und seine Kumpane angeblich abgefackelt haben sollen. Gestern wurden Heiko P. und Rene B. verhört; Maik W., der in einem Brandenburger Knast sitzt, soll demnächst folgen. Doch ob je ein Hund in Grevesmühlen angezündet worden ist, was an den Flammen aus dem Ofen oder denen aus dem Benzinkanister dran ist, will die Staatsanwaltschaft auch jetzt noch nicht überprüfen. Spurensuche à la Lübeck.

Lieblingstatverdächtiger der Staatsanwaltschaft ist nach wie vor der Libanese Safwan Eid, gegen den in der letzten Woche das Hauptverfahren eröffnet wurde. Gabriele Heinecke, Eids Anwältin, müßte eigentlich über weitere Untersuchungen der Staatsanwaltschaft unterrichtet werden. Doch offiziell erfuhr sie nichts von der Vernehmung der Grevesmühlener.