Abschiebung in Pampers?

■ Juristisch formale Winkelzüge: Asylbundesamt in Zirndorf lehnt Asylantrag eines zwei Monate alten kurdischen Kindes ab

Berlin (taz) – „Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte wird abgelehnt. Die Antragstellerin wird aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats zu verlassen.“ Die Kurdin Mizgin A. wird Schwierigkeiten haben, dieser schriftlichen Aufforderung zu folgen. Nicht nur, daß sie die amtlichen Zeilen des Asylbundesamtes nicht lesen kann – sie kann auch nicht laufen. Mizgin A. ist gerade mal acht Wochen alt. Ihre kurdische Heimat hat sie noch nie gesehen, folglich – so kombinierte das Asylbundesamt in Zirndorf – kann sie dort auch nicht verfolgt worden sein. Im Laufe ihres zweimonatigen Lebens war Mizgin auch nicht sonderlich politisch aktiv. Ergo hat sie auch keine politische Verfolgung erlitten. Mizgins Asylantrag mußte folgerichtig abgelehnt werden – Ausreisefrist vier Wochen, ansonsten Abschiebung in die Türkei.

Was die beunruhigten Eltern des Babys, die seit drei Jahren in einer Asylunterkunft in Brandenburg leben, nicht wissen können: Die angedrohte Abschiebung ihres Neugeborenen wird gar nicht vollstreckt. Genaugenommen steht das in dem amtlichen Bescheid auch drin. Dort heißt es: „Über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gem. 43 Abs. 3 Asyl VfG entscheidet die Ausländerbehörde unter Berücksichtigung von Art. 6 Grundgesetz (GG) in eigener Zuständigkeit. Gem. 43 Abs. 3 Asyl VfG darf die Ausländerbehörde u.a. die Abschiebung von minderjährigen, ledigen Kindern auch abweichend von 55 Abs. 4 AuslG vorübergehend aussetzen, um die gemeinsame Ausreise der Familie zu ermöglichen.“ Noch Fragen? In Normaldeutsch heißt das jedenfalls: Minderjährige Kinder werden so lange nicht abgeschoben, wie das Asylverfahren ihrer Eltern noch läuft. Kinder unter sechzehn Jahren, das hätte das Asylbundesamt Mizgins Eltern in wenigen Zeilen auch mitteilen können, brauchen gar keinen Asylantrag zu stellen. Sie können es juristisch auch gar nicht, denn ihr Aufenthalt wird immer an den der Eltern gekoppelt. Doch wo einmal ein Asylantrag vorliegt, da muß er auch entschieden werden: und zwar bürokratisch korrekt.

Die Abschiebungsandrohung für Mizgin A. ist ein Beispiel für die bürokratische Sturheit, mit der das Asylbundesamt Flüchtlinge in Panik versetzt. Brandenburgs Ausländerbeauftragte Almuth Berger muß immer wieder verängstigte Eltern beruhigen, die von den amtlichen Bescheiden zwar die Worte „Ausreise“ und „Abschiebung“ verstehen, aber nicht die kaum nachvollziehbaren juristischen Winkelzüge. „Warum“, so fragt die Ausländerbeauftragte, „kann man das nicht einfach menschlich und verständlich formulieren?“ Vera Gaserow