„Mut zum Risiko“

■ Parteichefs der Großen Koalition loben ihre große Bereitschaft zum Geldausgeben / Bilanz nach einem Jahr

Eins haben die beiden Parteivorsitzenden der Koalitionspartner SPD und CDU gemeinsam: Zu den Details der Bremer Regierungspolitik haben sie nichts zu sagen. Als Detlev Albers und Bernd Neumann gestern gemeinsam vor die Landespressekonferenz traten, um ihre Bilanz nach genau einem Jahr Großer Koalition zu ziehen, da blieben sie so allgemein wie möglich. „Das Ergebnis kann sich sehen lassen“, faßte Neumann zusammen, bundesweit sei die Große Koalition in Bremen diejenige, „die am besten arbeitet“.

„Es wird Sie nicht überraschen, daß meine Bilanz der einzigen großen Koalition unter sozialdemokratischer Führung in den letzten 40 Jahren positiv ist“, erklärte Albers. Insbesondere bei der „gemeinsamen Krisenbewältigung nach dem Vulkan-Zusammenbruch“ habe die Koalition ihre Bewährungsprobe bestanden, versicherten die beiden Parteichefs.

Aber womit eigentlich? Detlev Albers klagte über die „vermaledeite Ära Hennemann“ und zeigte Verständnis dafür, „daß man mit einem heillos defizitären Betrieb nicht von heute auf morgen schwarze Zahlen schreiben kann“. Jetzt müsse ganz schnell ein Konzept für die Zukunft her – also fehlt es offenbar bisher.

Das sieht auch Bernd Neumann so. Ob es aber sinnvoll ist, den bisherigen Landesbürgschaften über eine runde Milliarde Mark für den Erhalt eines Teils von 4.300 Werft-Arbeitsplätzen am Montag noch einmal 250 Millionen Mark „Schließungsbeihilfen“ hinterherzuwerfen, dazu wollte der CDU-Chef gestern lieber keine Meinung äußern. „Ich bin dazu nicht gefragt worden“, versicherte er, „ich kenne die Vorlagen nicht, und ich bin auch nicht der Finanzchef des Senats.“ Nur „ganz grundsätzlich“ wollte sich Neumann äußern: „Wir begeben uns hier zunehmend in ein am Ende nicht mehr überschaubares Risiko.“

Leichter fiel es Neumann und Albers, die Liste der Großprojekte aufzuzählen, für die ihre Koalition 4,8 Milliarden Mark Sanierungshilfen des Bundes verwenden will. „Hemelinger Tunnel, Linie 4, Messehallen, Fischereihafenschleuse Bremerhaven, Musical, Ocean-Park, Space-Park, Gewerbegebiete in der Hemelinger Marsch und auf der ehemaligen Carl-Schurz-Kaserne sowie die neuen Straßen A281 und B74“, so lautete die Liste beider Parteichefs. „Eine Reihe gordischer Knoten“ habe die Große Koalition damit in den ersten 12 Monaten durchschlagen, lobte Albers. Da seien Entscheidungen „mit einer Massivität getroffen worden, die ohne Große Koalition nicht möglich gewesen wäre“, meinte Neumann. Vieles sei bereits von der Ampel „angedacht, aber nicht entschieden“ worden. Erst die Große Koalition habe jetzt den nötigen „Mut zum Risiko“ bewiesen.

Einig waren sich Albers und Neumann auch bei der Liste der umstrittenen Punkte: Georg-Bitter-Trasse, Arbeitszeitverlängerung für Beamte auf 40 Wochenstunden und für Lehrer um eine Unterrichtsstunde pro Woche, Privatisierung städtischer Unternehmen, Schulpolitik und aktuell die Haltung zum verlängerten Ladenschluß. Und dann ist da noch der quer durch die Koalitionsparteien hindurch umstrittene Umzug des Häfensenators nach Bremerhaven. „Bin dagegen“, erklärte Neumann; „man soll Gutachten nicht vorgreifen“, meinte Albers, „der Abwägungsprozeß muß zu Ende geführt werden.“

Ganz auf politische Taktik setzt Neumann in der Außenwirkung der Bremer Politik. Zwar sei es richtig, einen Großteil der Sanierungshilfen des Bundes zu investieren. Aber eine „dreistellige Millionen-summe“ müsse Finanzsenator Nölle doch noch „auf die hohe Kante legen“, sonst stehe Bremen am Ende mit „null Tilgung“ da – ein Bild, das außerhalb Bremens zu Zweifeln am „Willen zum Sparen“ führen würde. Woher das Geld für die Schuldentilgung kommen soll? – „Da möchte ich mich nicht festlegen.“

Ase