Kurz vor der Mitte der Worte

■ Der australische Autor Herb Wharton liest bei Heinrich Heine

Cunnamulla liegt schon so weit westlich in die mit roter Erde bedeckte Tiefe des australischen Kontinents geschoben, daß die Goldküste von Queensland mit ihren touristischen Strandparadiesen und Städte wie Brisbane nur noch Gerüchte sind. Herb Wharton, wohl knapp unter 60 und heute ein gefeierter Autor Australiens, wurde hier geboren und hat hier vierzig Jahre im Sattel verbracht.

Bis sein Körper ihn in die frühe Rente zwang, war Wharton drover oder stockman – die australische Variante des Cowboys. Mit zehn oder zwölf – nur er weiß es genau, aber er weiß ja nicht einmal, wie alt er heute ist – hat er die Schule verlassen und ist dem Viehtrieb gefolgt. Seine einzige Lektüre waren die alten, fettigen Zeitungsreste, in die das Mittagessen gewickelt wurde. Herb Whartons später Start in eine ganz andere Welt klingt selbst wie eine der unglaublichen, prallen, oft fast mystischen Geschichten, die er aus dem Leben im Outback erzählt.

Was hast du, fragte ihn ein alter Freund einmal abends am Lagerfeuer, in deinem Leben geschafft? So in die Nachtstille hinein konnte Wharton nicht antworten. Doch seine Antwort kam: Wharton begann, einen Brief zu schreiben – den vierten Brief seines Lebens – und aus dem Brief wurde ein Gedicht, dessen erste Strophe mit „you asked a simple question/about a wasted way of life“ endet. „Every mile of that big country tells me a story, like the pages of a book. Now old mate, it's time to write things down.“ Das wurde dem Autodidakten, der bald am lokalen Kiosk verschrieen war, weil er immer die Lotterie-Kugelschreiber mitnahm, zum Motto. 1990 erhielt er einen Preis „for unpublished Aboriginal and Torres Strait Islander writers“, und sein erster Roman war schon verkauft, als es erst zwanzig Seiten davon gab. Unbranded ist die Geschichte dreier Viehtreiber in der rostroten Weite des Landes. Whartons Sicht ist ganz freimütig die des Aborigines. Seine Geschichten sollen nicht nur fesseln. Sie sollen auch die Geschichte des Kontinents aus der bisher vernachlässigten Sicht beschreiben.

Whartons Stärke ist seine durch keine Regeln gebändigte Sprache. Seine Bücher sind so warm wie am Abend die Felsen von der Sonne des Tages, so packend wie die größte Fremde es sein kann, wenn einer sie schildert, der hintergründigen Humor hat und keine Lust auf Glorifizierungen, sondern auf Gerechtigkeit.

Längst ist Wharton das Reisen gewöhnt, kommt öfter mit dem Flugzeug von einem Ort zum anderen als zu Fuß, und stellt am Donnerstag sein Werk in Hamburg vor.

Thomas Plaichinger

Donnerstag, 4. Juli, Heinrich-Heine-Buchhandlung, Schlüterstraße 1, 19.30 Uhr