"Ist ganz nett, wenn er hier mal vorbeikommt"

■ Drei katholische SchülerInnen über ihr Verhältnis zur Kirche und zum Papst

taz: Morgen kommt der Papst nach Berlin. Freut ihr euch?

Ninette: Nee, ist mir vollkommen egal. Der Papst ist ziemlich unsympathisch.

Benedikt: Ich geh' hin und guck mir den mal an...

Sebastian: Ist ja ganz nett, daß er vorbeikommt.

Benedikt: Man will sagen können, ich hab ihn mal live gesehen.

Ninette: Diese Papstverherrlichung ist furchtbar. Er ist nur ein Mensch, nicht Gott.

Aber dein oberster Hirte.

Sebastian: Er nennt sich Stellvertreter Gottes auf Erden. Wenn wir einen Stellvertreter haben, heißt das, daß der Chef nicht da ist. Und wenn der nicht da ist, können wir die Kirche wegschmeißen.

Ninette: Der Glaube an Gott ist etwas völlig anderes als der an die Kirche und den Vatikan.

Das würde der Papst anders sehen.

Ninette: Das tut mir leid für ihn. Er ist total mittelalterlich.

Was regt dich am meisten auf?

Ninette: Wie die Frauen behandelt werden. Daß Frauen nicht Priesterin werden können...

Würdest du gern?

Ninette: Auf keinen Fall. Aber es gibt ja Frauen, die das wollen.

Benedikt: Es muß einen geben, der alles lenkt ...

Sebastian: ...find ich nicht.

Ninette: Der Papst steht da als der Unfehlbare. Das kann ein Mensch nicht sein. Und von Gott geschickt wurde er auch nicht. Um an Gott zu glauben, brauch' ich keinen Menschen, der dazwischensteht.

Sestastian: Der Glaube ist zwar unabhängig von der Kirche, aber wie man den Glauben lebt, das ist schon von ihr abhängig. Wenn man in einer Kirche ist, sollte man auch gemeinsam glauben, sonst kann man ja irgendwo anders hingehen.

Benedikt: Jemand muß doch Entscheidungen treffen. Aber was der da entscheidet, ist ziemlich komisch. Abtreibung und Zölibat – das ist doch nicht mehr aktuell.

Wehrt ihr euch?

Seastian: Ich handele, wie ich es für richtig halte. Was der Papst dazu sagt, ist mir relativ egal.

Ninette: Er kann ja ruhig existieren, wenn er sich der Zeit anpasst. Mit einem neuen vatikanischen Konzil könnte sich schon was ändern.

Sebastian: Glaub' ich nicht. So lange, wie da oben Typen wie Kardinal Ratzinger sitzen, kann's keine Änderung geben. Und solange die Gläubigen nicht gefragt werden, wer ihr Oberhaupt sein soll, braucht man den Papst auch nicht zu akzeptieren.

Benedikt: Gegen ihn ist kaum was zu machen. Selbst das Kirchenvolksbegehren hat nicht viel geholfen. Die Veränderung muß von oben kommen, von unten schafft man es nicht.

930 Millionen Katholiken gibt es weltweit. Alle ohnmächtig?

Benedikt: Vielleicht könnten die Bischöfe was ändern, aber die sind ja auch alle konservativ...

Sebastian: Wenn ich mich über die Machenschaften des Vatikans aufregen würde, müßte ich ja davon ausgehen, daß die noch relativ normal sind.

Ninette: Es ist doch utopisch zu glauben, daß Millionen Gläubige plötzlich anfangen, sich zu wehren.

Ihr glaubt weder an eine Revolution von unten noch Veränderungen von oben, warum unterstützt ihr diese Institution noch?

Benedikt: Gerade die, die in der Kirche sehr aktiv sind, sind meist gegen den Papst. Auf Wallfahrt nach Rom gehen sie trotzdem; der Papst ist eben doch was Besonderes.

Ninette: Man kann sich mit seinem eigenen Leben widersetzen. Indem man den Glauben lebt. Und was die politischen Fragen in der Kirche angeht, ist es nur eine Frage der Zeit.

Wart ihr schon als Kinder fromm?

Benedikt: Früher fand ich's Klasse, wenn die zu Fronleichnam mit der Monstranz rumgelatscht sind. Da hab' ich mir aus Kreppapier irgendwelche Gewänder gebastelt und hab's nachgemacht. Ober hab' mit Gurkenscheiben Hostie gespielt.

Ninette: Bevor ich zehn war, hab' ich nie was mit Kirche und Glauben zu tun gehabt. Ich war getauft, das war alles. Zur Kommunion bin ich nur gegangen, weil ich auf diese Schule wollte. Der Kommunionsunterricht war klasse, man hat ein bißchen über Gott geredet, über Beichte, mußte Gebete auswendig lernen – war alles voll nett. Nur zur Kirche zu gehen, hab' ich immer gehaßt. Hunderte von Leuten knien, murmeln irgendwas Demütiges, die Hälfte weiß noch nicht einmal, was sie da sagt.

Sebastian: Als Kind fragt man nicht, was der Papst zur Sexualität sagt und warum der Vatikan seine Finger in Waffengeschäften hat. Ich komm' aus einer sehr katholischen Familie.

Benedikt: Ich auch. Mein Vater war Ministrant, alle möglichen Verwandten auch. Die Kirche war für uns immer ein Lebensmittelpunkt.

Nie dagegen gewehrt?

Benedikt: Doch, als Jugendlicher hatte ich mal so eine Sturm- und-Drang-Phase und wollte nicht mehr zur Kirche. Aber inzwischen gehe ich wieder regelmäßig und gerne. Ich versteh' jetzt, was das ganze soll und bin damit auch ganz glücklich. Außerdem treff' ich dort meine Freunde.

Ninette: Ich hatte auch mal so eine Revoluzzerphase, wo ich dachte, Gott ist Scheiße.

Sebastian: Ich kann mich nicht erinnern, daß ich mich gegen meine Eltern aufgelehnt hab, was Kirche anging. Natürlich nervt es, wenn man da immer hin soll. Aber mir hat das in einer bestimmten Zeit auch Halt gegeben. Außerdem sind auch meine Freunde in der Gemeinde.

Ist euch die Gruppe letzlich wichtiger?

Ninette: Die Gruppe hilft einem zu glauben.

Sebastian: Ich würd' auch ohne Gruppe glauben, aber bestimmt nicht mehr so oft zur Kirche gehen.

Beichtet Ihr?

Ninette: Beichte lehn' ich ab. Das kann ich auch im Gebet abmachen und muß es nicht einem Mann mitteilen.

Benedikt: Was die Vergebung angeht, find' ich Beichte unwichtig. Aber ich geh' hin. Vor Ostern zum Beispiel ist Familienbeichttag. Da trifft sich die ganze Verwandtschaft.

Sebastian: Ich beichte auch, aber selten. Man kann ja nur das beichten, was man bereut...

Wenn du mit deiner Freundin ins Bett gehst?

Sebastian: Nö.

Benedikt: Kommt auf die Freundin an.

Ninette: Was ist schlimm an außerehelichem Geschlechtsverkehr?

Sebastian: In der Bibel steht nicht, daß man vorher nicht soll.

Das Gespräch führte Bascha Mika