Pickelcreme im Wurmloch

■ Von heute an irrt "Raumschiff Voyager" als Enterprise-Zombie durch die Galaxis

Die olle Enterprise wird 30. Es gratuliert die ganze Star-Trek-Familie: eine Nachfolgeserie (die „Next Generation“), eine Raumstation („Deep Space Nine“) und ein nigelnagelneues Raumschiff mit Namen Voyager und neuen Charakteren zum Verheizen. Hoffentlich passen die da oben überhaupt alle hin! Schließlich gurkt „unser Schiff im All“, die Orion, auch noch immer da draußen herum, samt stämmigem Bordingenieur Wolfgang „Leutnant DiMonti“ Völz. Außerdem schießt die Nasa ständig frisches Blech hoch, und sogar die Dasa jagt ab und an einige Millionen an Bord klappriger „Ariane“-Satelliten in den Wind.

Um also Zusammenstöße zu vermeiden, verfliegt sich die Voyager heute im Pilotfilm zur neuen Serie erst einmal völlig. Die arme Crew unter Captain Kathryn Janeway (Kate Mulgrew) gerät in einen Plasmasturm und kommt 70.000 Lichtjahre vom bekannten Sektor der Galaxis entfernt wieder zum Vorschein.

Soso – dabei weiß doch jeder, wie gefährlich Plasmastürme sind, gerade in diesem Sektor. Mit dem Klugscheißer Crusher von der Enterprise D an Bord wäre das bestimmt nicht passiert. Der hätte wieder mit Bindfäden und Pickelcreme ein neues Wurmloch ins All gesprengt, und jetzt säße die ganze Crew schon bei Ga'ak und kardassianischem Bier daheim in 10 vorne. Oder im Quark's.

Captain Janeway jedoch, nicht faul, ernennt gleich den Weltraumindianer Chakotay, dessen angemalte Schläfen stark nach Eso- Ausrichtung riechen, zum Ersten Offizier. Der stammt übrigens genau wie die rassige Halbklingonin B'Elanna Torres von einem ebenfalls vom Sturm erfaßten Rebellenschiff. Darum gehören die beiden auch erst mal von der Sternenflotte tüchtig geschliffen. Und Janeway ist nicht zimperlich, wo ich mir doch so sehr einen etwas mütterlichen Kapitän gewünscht hätte („Zieh' dir was an, bevor du auf diesen zugigen Planeten runterbeamst ...“).

Egal, zum Glück gibt es dafür noch sexy Tuvok (Tim Russ) vom Planeten Vulkan und den doofen Holodoktor, den keiner leiden mag, weil er ein größerer Besserwisser als Captin Picard ist und außerdem noch weniger Haare hat. Nur die Hippiefrau Kas vom „Fünften Planeten“ mag ihn, aber die mag ja auch Neelix, der seit Wochen auf Sat.1-Plakaten überall für die neue Serie wirbt.

Klingt doch alles soweit ganz nach dem Stoff, aus dem die Kulte sind. Im Gegensatz zur ersten Gene-Roddenberry-Serie wird diese nicht um Einschaltquoten bangen müssen. Und daß man mit Star- Trek-Merchandising prima Geld machen kann, steht auch fest. Die Enterprise und ihre Nachfolgemodelle werden vermutlich so lange fremde Welten aufmischen, bis die „Trekkies“ alle vulkanischen Gummiohren angeklebt, alle klingonischen Würmer gegessen und alle Generationen videomäßig zusammengeführt haben. Na, und wenn schon!

Nichts gegen die Vereinigung von Kult, Konsum und komischen Geschichten, solange sie spaßig und unrealistisch sind. Etwas über die Psyche von amerikanischen Science-fiction-Autorenteams lernt man allemal. Zum Beispiel, daß die ganzen Außerirdischen doch froh sein können, daß es uns Menschen gibt und wir auch noch so schlau, vernünftig und friedfertig sind.

Dazu kommen noch ein paar leutselige Botschaften, gepaart mit der Lust an Militarismen. Und nicht zuletzt die Erkenntnisse in Erd- bzw. Weltraumkunde, Politik und Technik! Woher soll man denn sonst wissen, wie so ein verdammtes kardassianisches Messerbiest aussieht oder wo genau jetzt eigentlich die neutrale Zone verläuft. Oder ob Frauen wirklich Raumschiffe führen können oder lieber am Replikator bleiben sollten. Oder wann sich der neue Erste Offizier endlich als New-Age-Jünger outet.

Schön wäre es auch, wenn der neue Kommunikator aus dem Voyager-Devotionalien-Shop zur Sommerkollektion paßt. Irgend jemandem muß ich ja das schwerverdiente Geld in den Rachen werfen ... Jennifer Zylka