God's voice – unplugged

■ „Faustus in Africa“ glänzte zwei Tage lang im Schauspielhaus

Faust sitzt in einer staubigen Kleinstadt am Rand eines vergessenen, afrikanischen Kolonialkriegs – doch seine Zweifel an der eigenen Gelehrtheit und ihrem Sinn sind die alten europäischen Zweifel.

Auf wundersam schlüssige Weise variieren die Bilder der südafrikanischen Handspring Puppet Company die überbrachten Gemeinplätze des Goetheschen Opus magnum, spielen die Szenen mit Wiedererkennbarem und Fremdem. Diese Faust-Fassung in der Regie von William Kentridge ist nicht einfach nur die zigste neue Lesart desselben alten Textes: Sie ist eine sensible Aneignung, und wird zum Theaterereignis von solcher Dichte und Lebendigkeit, daß die Magie wegträgt, und zwar ganz weit, immer über den Äquator.

In Mephistos Büro, einem altmodischen Kontor, werden Gottes Seelen verwaltet. Hier geht auch Fausts Reise los, nachdem der unzufriedene Wissenschaftler sich auf den Deal mit dem Teufel eingelassen hat. Mephisto wird ihm auf Erden dienen, Faust ihm im Jenseits. Den ganzen Kontinent bereisen die beiden, immer begleitet von Mephistos Hyäne. Gretchen ist hier nur eine Station unter vielen, die Gretchenfrage in ganz andere Ebenen, und tatsächlich ins Politische verschoben. Die Goethe-Stellen sind vermengt mit Zeilen des süd- afrikanischen Rap-Dichters Lesego Rampolokeng.

Die Faszination des Abends wird aber nicht nur von der Bearbeitung des urdeutschen Textes bestimmt, sondern auch durch die besondere Art des Theaters, die diese Truppe pflegt: Bis auf Mephisto (wunderbar körperlich, sinnlich, anmaßend dargestellt von Leslie Fong), sind die Hauptdarsteller jene fast lebensgroßen, überaus expressiven Puppen, die die Company berühmt gemacht haben. Je zwei Menschen führen und sprechen sie – sichtbar, und trotzdem werden die Puppen so lebendig, daß die sie Tragenden wie Beiwerk wirken, unnötig fast. Unterstrichen wird das komplexe Handlungsgefüge von den animierten, kommentierenden Kohlezeichnungen des Regisseurs, die die Szenen optisch ummalen und auch für die Darstellung Gottes sorgen. Als Mephisto am Ende von Gott aufgefordert wird, mit Faustus in die Hölle abzuschwirren, wird dem gezeichneten Megaphon, das Gottes Sprachrohr ist, schlicht der Strom gekappt. God unplugged, während Faust und Mephisto Karten spielen. Schade, daß diese faszinierende Truppe nur zwei Abende in Hamburg blieb. Thomas Plaichinger