„Uns fehlte die Dramaturgie“

■ Ein Gespräch mit Hark Bohm zum möglichen Ausbau des „Aufbaustudiums Film“ an der Uni.

Am Montag wurde das Ende der Modellversuchs-Phase des Aufbaustudiums Film an der Uni im vollbesetzten Audimax mit abendfüllendem Programm aus eigener Produktion gefeiert. Heute soll der akademische Senat der Uni über die Einrichtung zweier neuer Studienfächer (Bildregie und Produktion) entscheiden. taz hamburg sprach mit Hark Bohm, dem pragmatischen Vater des Studiengangs.

Wie kamen Sie dazu, einen solchen Studiengang zu planen?

Bohm: Sehen Sie, ich habe Mitte der 70er mal einen Artikel im Spiegel geschrieben, der hieß „Lauter Erfolge ohne Zuschauer“. Mitte der 80er war mir dann klar, daß wir Filmemacher versuchen mußten, uns die Handwerklichkeit zurückzuerobern. In meiner Generation hatte keiner Ahnung, was Dramaturgie ist. Man hatte vielleicht mal Aristoteles' Poetik gelesen, aber sie hatten es doch nicht gelernt, und daß man es lernen muß, widersprach deutscher Grundhaltung. Das Wort „Wirkungsästhetik“ zum Beispiel war ein Schimpfwort. Zieldramaturgie war ein Schimpfwort wie „Dummheit“. Ein wirklicher Künstler, der schafft die Gesetze seines Schaffens aus sich selbst. Aber wenn man sich amerikanische Filme anschaute – und zwar nicht nur die Mainstream-Filme – dann merkte man, daß diese Leute ein anderes handwerkliches Bewußtsein hatten. Bei uns hat der Autorenfilm das kaputtgemacht. Die Genieästhetik war an die Stelle der Wirkungsästhetik getreten. Und die Genieästhetik ist eine Eliteästhetik. Werner Herzog hat mal so nett gesagt, ihn interessieren nicht die Zuschauer, ihn interessiert die Ewigkeit.

Wir mußten zurückerobern, daß Regisseure erst mal Regisseure sind, und Autoren Autoren, und daß ein Film aus der Kooperation dieser beiden entsteht, und daß der Kameramann nicht nur ein Erfüllungsgehilfe des Regisseurs ist, sondern eine eigene kreative Leistung bringt. Und das hat sich ja gottseidank in diesem Konzept als einigermaßen Wirklichkeitsfähig entwickelt.

Für die Finanzierung hatten Sie immer Misch-Kalkulationen?

Ja. Nachdem der akademische Senat 1992 die Einführung des Studiengangs beschlossen hatte, hatten der damalige Präsident und ich die Idee, das als Modellversuch durch das Bundesbildungsministerium finanzieren zu lassen. Die 50% Co-Finanzierung gingen allerdings in den Sack der Stadt und nicht in den der Uni. Mir war klar, daß die Uni nicht die Kosten für die Filme oder für Lehrer wie Nikita Michalkov oder Michael Ballhaus bestreiten könnte. Dazu haben wir mit Unternehmen die Hamburger Filmwerkstatt als Förderverein gegründet, der die praktische Seite der Ausbildung übernimmt.

Welche Lehrer haben Sie?

Der Lehrer für Drehbuch ist Peter Steinbach, der Heimat geschrieben hat und Herbstmilch, Dramaturgie unterrichtet der große russische Regisseur Alexandr Mitta, der mit Leuchte mein Stern, leuchte den Goldenen Löwen in Venedig bekam. Regie unterrichte ich.

Die neuen Fächer

Wenn der akademische Senat dem Votum der drei Ausschüsse folgt, wird Michael Ballhaus in Zukunft Bildregie unterrichten, mit dem Schwerpunkt Digitale Kamera. Diesen Bereich finanziert Sony. Peter Gerlach, der seine Tätigkeit bei SAT1 reduziert, wird den neuen Bereich Produktion unterrichten. Sein Bereich wird von der Filmwerkstatt finanziert. Das heißt, daß die beiden neuen Bereiche die Uni keine Mark kosten.

Wieviele Leute sitzen jeweils in diesen Klassen?

Wir haben – wie in den Meisterklassen in Moskau, Los Angeles und in Lodz nicht mehr als sechs Leute in einer Klasse. Da kann man sich mit jedem beschäftigen.

Wie viele Bewerbungen gibt es?

Für Kamera hatten wir 230 Anfragen. Wir rieten vielen Leuten ab, weil sie die Voraussetzungen nicht mitbrachten. Bewerbungen inklusive Filmbeispielen waren ungefähr 100, 30 davon haben wir ausgesucht und sie Ballhaus in die USA geschickt, und davon hat Ballhaus 12 eingeladen, und 6 wurden aufgenommen. Bei den Drehbuch- und Regieleuten hatten wir über 700 Anfragen.

Und wie geht es weiter?

Die Neuen haben jetzt im April angefangen, die bereiten gerade ihre 5-Minuten-Filme vor. Das ist die praktische Arbeit zum Abschluß des 1. Semesters.

Und was bedeutet die Arbeit für Sie persönlich? Sie haben länger keinen Film mehr herausgebracht.

Ja, das hängt damit zusammen. Wissen Sie, wenn Kolumbus gewußt hätte, was ihn erwartet, wäre er nicht losgesegelt. Ich habe nicht damit gerechnet, daß es eine solche Flut von Intrigen und Feindschaften auslösen würde. Ich habe aber auch nicht damit gerechnet, daß es dann doch so schnell zu einer solchen Akzeptanz führen könnte. Kolumbus ist ja nie glücklich geworden. Ich bin mit dem Ergebnis ganz glücklich. In dem „ganz“ steckt drin, daß ich – wenn das jetzt tatsächlich gelingen sollte und der akademische Senat zustimmt – glaube, daß Hamburg eine sehr effektive Filmhochschule als Teil der Uni bekommen hat, und daß ich der Vater bin, darauf bin ich stolz. Auf der anderen Seite habe ich fünf Jahre lang nicht gedreht, und das tut weh. Im letzten Jahr habe ich allerdings wieder gedreht.

Fragen: Thomas Plaichinger