„Wir machen uns keine Illusionen“

■ Die Hamburger Bücherhallen zwischen Sparzwang, Etatlücken, harter Linie und der Suche nach Konsens im eigenen Haus und in der Öffentlichkeit: Die neue Leitung hat die alten Sorgen

Seit dem 1. Juni haben die Hamburger öffentlichen Bücherhallen (HöB) eine neue Direktorin. Hella Schwemer-Martienßen, unter Jochimsen und Dankert Vize-Chefin, will jetzt die Pläne weiterverfolgen, an denen Birgit Dankert vor ihr gescheitert war. Mit der taz sprachen sie und ihre neue Stellvertreterin Marie-Luise Warnk über ihre zukünftige Linie.

taz: Warum nimmt man eine Stellung wie Ihre in einem so schwierigen Moment an?

Schwemer: Einer muß es machen, und wir wissen, worauf wir uns einlassen. Dieser Betrieb braucht, auch wenn er das selber manchmal nicht begreift, eine richtige Leitung. Da wir uns keine Illusionen machen, aber auch nicht den Kopf in den Sand stecken, machen wir das jetzt eben.

Ursprünglich sollten Sie die Leitung kommissarisch übernehmen.

Schwemer: Ja, aber „bis auf weiteres“ hat man überhaupt keine Möglichkeiten. Da würden Entscheidungen immer nur weiter aufgeschoben, und das wollen wir nicht. Wir möchten, daß die Gesamtsituation endlich so gesehen wird, wie sie ist, und daß es keine Panikmache war, und daß nach Lösungen gesucht wird, die umgesetzt werden. Wir können es uns nicht erlauben, noch zwei Jahre darüber zu diskutieren, ob alles wirklich so schlimm ist, wie es dargestellt wird.

Was sind Ihre ersten Entscheidungen?

Wir werden im September auf der Sitzung des Verwaltungsrates ein Gesamtkonzept, ein Standortentwicklungskonzept und ein Hauskonzept für HöB vortragen müssen. Diese Konzepte werden wir vorher betriebsintern zu verhandeln versuchen, um sie möglichst konsensuell vorzutragen. Frau Warnk und ich hatten ja im vorigen Jahr schon fünf Monate diese Verantwortung. Damals sind wir zu dem Ergebnis gekommen, daß die Finanzen nicht in den Griff zu bekommen sind, wenn man sich nicht schnell in einem ersten Schritt von Kosten trennt und dann in einem zweiten Schritt die Zukunftsperspektive für HöB entwickelt und umsetzt. Nun muß das alles mit einem Mal gemacht werden. Ein Standortentwicklungskonzept, Fachkonzept, die Zielvereinbarung, die wir mit der Politik darüber führen müssen, was wir für unser Budget denken leisten zu können. Und gleichzeitig muß die Ein-sparung in Höhe von vier Millionen Mark für 1997 berücksichtigt werden. Wenn man allein am Personal sparen wollte, müßte man etwa 100 Stellen abbauen. Die Leute gehen aber nicht so schnell in den Ruhestand. Inzwischen veraltet dieser Betrieb und die jüngeren Menschen, die noch leistungsfähiger sind, werden demotiviert und verlassen den Betrieb.

Warnk: Und selbst, wenn es die Möglichkeit gäbe, sich von der entsprechenden Anzahl von Personen zu trennen, wäre es trotzdem nicht möglich und sinnvoll, alle Einrichtungen weiterzubetreiben. Das könnte dann nämlich nur heißen, daß man eine größere Anzahl von Bücherhallen mit halber Kraft betreiben müßte. Das wäre eine Ausdünnung des Gesamtsystems, so daß an keiner Stelle mehr vernünftiger Service möglich ist. Daher unsere Idee, in der Kombination auch das System zu verkleinern, weil es dann an den verbleibenden Stellen möglich ist, das Personal vernünftig und rationell einzusetzen.

Schwemer: Und Innovationsspielräume zu haben. Wir sind ja in einem Zustand, in dem wir überhaupt kein verfügbares Geld haben. Unser gesamter Etat und auch das, was wir an Einnahmen haben, ist praktisch zu Beginn des Haushaltsjahres durch die festen Verträge schon weg. Uns fehlen also die Spielräume. Wir drohen technisch zu veralten und ins Hintertreffen zu geraten. Unsere gesamte Dienstleistung wird erstens weniger – rein vom zeitlichen Volumen her, aber sie wird auch eingleisiger und das führt letztlich dazu, das wir unsere Existenz als Gesamtbetrieb aufs Spiel setzen, wenn wir nicht handeln. Das muß politisch noch deutlicher gemacht werden.

Und wie soll Ihr Konzept im September nun aussehen?

Es wird eine Mix-Lösung sein aus zentralen und dezentralen Ein-sparungen und Zukunftsentwicklungen. Es werden einzelne Standorte genannt werden, bei denen wir davon ausgehen, daß man sie an einem dritten Standort zusammenlegen könnte, um damit die Dienstleistung zu konzentrieren und da auch sinnvoll modernisieren zu können. Die einzelnen Maßnahmen werden sofort dann greifen können, wenn man die politischen und internen Widerstände und sonstige Imponderabilien aus dem Weg geräumt und dafür die Akzeptanz gefunden hat. Es geht nicht ohne Akzeptanz von Bürgern, Politik und Kollegen. Das ist uns klar geworden.

Fragen: Thomas Plaichinger