Kochtopf und Weltmarkt

Netzwerktagung: Mit regionalen Strukturen unterlaufen Frauen den globalen Handel und üben gleichzeitig Druck auf die Mächtigen aus  ■ Von Christa Wichterich

Stell dir vor, Frauen stünden nicht nur an den Kassen der Supermärkte und hinter den Verkaufsständen der Wochenmärkte. Stell dir vor, Frauen hätten das Sagen auf den internationalen Finanz- und Warenmärkten und in den Wirtschaftsministerien. Was würden sie auf dem globalen Markt austauschen? Mit wem würden sie handeln?

Die Afrikanerinnen, meint die Uganderin Rose Kiggundu, wollen nicht mehr so viel Kaffee und Baumwolle für den Weltmarkt pflanzen, sondern das Land für den Anbau ihrer eigenen Nahrungsmittel nutzen. Handeln möchten sie kleinräumig und regional organisieren, Flüsse wie den Nil als Transportwege benutzen, statt Produkte rund um den Erdball zu fliegen. Waffen und Landminen könnten die Industrienationen für sich behalten.

Die Philippina Lisa Maza vom Frauenverband Gabriela möchte zuallererst verhindern, daß ausländische Firmen in ihrem Land Kontrolle über Grund und Boden bekommen, um Erz, Kupfer und Gold abzubauen. Das erlaubt ein im letzten Jahr verabschiedetes Liberalisierungsgesetz: Auf 6,7 Millionen Hektar Land haben ausländische Bergbauunternehmen für 75 Jahre Zugriff und würden große Anbauflächen zerstören. Die peruanische Frauenaktivistin Virginia Vargas möchte als erstes die Arbeitsbedingungen in den Exportfabriken verbessern und den Süd-Süd-Handel ausbauen.

Hätten Frauen das Sagen, so lautete der Konsens auf der Tagung des europäischen Netzwerks WIDE (Women in Development Europe) zum Thema „Frauen und Handel“, dann wollten sie einen Handel, der sich an Grundbedürfnissen und Versorgung orientiert, nicht an Profiten.

Neuland betrat die Tagung in Bonn, denn das Thema ist ein noch weitgehend unbeackertes Feld. Welchen Einfluß haben Liberalisierung und Globalisierung des Handels auf Frauen? Chance oder Alptraum?

Für die Ökonomin Susan Joekes steht fest: Keine andere Gruppe hat so eindeutig vom globalen Handel und der Exportproduktion profitiert wie junge Frauen. Wirtschaftliche Liberalisierung biete Frauen gute Chancen sich freizuschwimmen und unabhängig zu werden.

Lisa Maza von den Philippinen dagegen sieht die Globalisierung völlig anders: Sie sei eine Fortsetzung der Kolonisierung mit anderen Mitteln – zum Nachteil des Südens, der Armen und der Frauen. Die philippinische Regierung hat, als sie das Welthandelsabkommen Gatt unterzeichnete, zum Beispiel Reisimporten in großem Umfang zugestimmt. Das kann Millionen Kleinbäuerinnen in den nächsten Jahren um ihr Ein- und Auskommen bringen.

Die Weltbank drängt Uganda im Zuge der Strukturanpassung zur Ausdehnung der Exportproduktion und zum Anbau nichttraditioneller Produkte wie Vanille für den Weltmarkt. Die Uganderinnen aber sind nicht mehr scharf auf die angebotenen Kredite für Kaffee- und Baumwollanbau. Sie wollen Darlehen für einen Handel, den sie selbst kontrollieren können. Rose Kiggundu vom „Zentrum für wirtschaftliches Empowerment von Frauen in Afrika“ plädiert deshalb wie auch Liza Maza dafür, daß die Frauen sich aus dem Weltmarkt ausklinken; wirtschaftliche Chancen sollten sie besser in den Bereichen entwickeln, wo jetzt ihre Stärke liegt: im informellen Sektor, im direkten Austausch von Produkten, im regionalen Handel.

Einklinken oder ausklinken – das ist hier die Frage. Wie läßt sich die immer zupackendere Beherrschung durch den entgrenzten Markt aufbrechen? Ein erster Schritt ist, „ökonomische Alphabetisierung“ zu betreiben und den Schleier des globalen Markts zu zerreißen. So hat Globalisierung nicht nur eine sichtbare Seite im grenzenlosen Fluß von Waren, Geldern und Informationen, sondern auch eine unsichtbare Seite in den Migrationsströmen von ArbeiterInnen, im Frauenhandel, in der Heim- und Verlagsarbeit von Millionen Frauen.

Zum zweiten muß der Mythos durchbrochen werden, es gäbe keine Alternativen mehr zu dem vor allem von Multis gesteuerten Markt. Parallelstrukturen zum Beispiel im Produkten- und Dienstleistungstausch ohne Bargeld existieren nicht nur in Ländern des Südens, sondern bilden sich zunehmend auch mit Tauschringen im Norden. Die Finnin Hilkka Pietilä plädiert für eine Stärkung der nicht marktförmigen Wirtschaftsanteile im Haushalt, statt Arbeiten und Kenntnisse aus den Haushalten auszulagern.

Während Pietilä nach Wegen sucht, wie Frauen sich unabhängig von Markt und Money machen können, setzt WEDO (Women's Environment and Development Organzisation) aus New York auf die Strategie, das System von innen aufzuknacken. Von der neuen Welthandelsorganisation WTO in Genf fordert WEDO Transparenz und Demokratisierung der Strukturen, damit Frauenorganisationen innerhalb der Institution ein Forum für Verhandlungen haben. Dann könnten Frauen ihre Themen und Anliegen einbringen und zum Beipsiel Handelsbarrieren gegen Frauenhandel fordern.

Die Clean Clothes Campaign in Holland verzeichnet erste Erfolge ihrer Strategie, Multis bessere Arbeitsbedingungen für Frauen abzuringen. Dank massiven Drucks von VerbraucherInnenseite gestehen Bekleidungsgroßhändler jetzt zu, daß sie nicht nur für die Qualität der Textilprodukte aus den sogenannten Billiglohnländern Verantwortung tragen, sondern auch für die Qualität der Arbeitsplätze. Auch Oxfam in England feilscht mit Multis über Sozialklauseln und einen freiwilligen Verhaltenskodex.

Einklinken in den globalen Markt oder Ausklinken ist, so das Fazit der strategischen Überlegungen, kein Entweder-Oder. Eine Doppelstrategie ist angesagt auf dem Weg zu einem frauengerechten Welthandel. Auf die Frage aber, welche Globalisierung Frauen begrüßen, ist eine Antwort klar: ein kontinentübergreifender Austausch der Erfahrungen, Ideen und Strategien von Frauenorganisationen.