„Das letzte Berufsverbot der Republik“

■ Rita Grießhaber, die frauenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, will Frauen in der Bundeswehr den Dienst an der Waffe ermöglichen – der Gleichheit wegen

taz: Sie werben in Ihrer Fraktion dafür, Frauen in der Bundeswehr auch den Dienst an der Waffe zu ermöglichen. Warum sollen Frauen ein Gewehr in die Hand nehmen?

Rita Grießhaber: Abgesehen davon, daß Frauen in der katholischen Kirche nicht Priester werden dürfen, handelt es sich dabei um das letzte Berufsverbot unserer Republik. Ich will doch Frauen nicht vorschreiben, welche Berufswahl sie treffen. Aber wir können umgekehrt Frauen, die freiwillig in die Bundeswehr wollen, dies nicht verbieten.

Die Grünen wollen auch den Ausstieg aus der Kernenergie. Aber wer käme denn deshalb auf die Idee, ein Arbeitsverbot für Ingenieurinnen in Kernkraftwerken zu fordern?

Die Bundeswehr hat zunehmend Probleme, ihren Personalbedarf zu decken. Sollen Frauen jetzt Lückenbüßer spielen?

Nein. Wir Grüne wollen die Wehrpflicht abschaffen und statt dessen eine Freiwilligenarmee installieren, wie es Frankreich nun tut. Die Bundesrepublik steht mit der Wehrpflicht in Europa ziemlich alleine da.

Aber wäre es dann nicht in der Logik Ihrer Argumentation, die bestehende Dienstpflicht auf Frauen auszudehnen?

Nein. Wenn ich die Wehrpflicht ablehne, kann ich nicht dafür sein, einen Zwangsdienst für Frauen einzuführen.

Wo ist denn die Dringlichkeit dieses Themas, gibt es nicht Schlimmeres?

Es gibt viele Zumutungen für Frauen, und gegen die gehen wir auch vor. Aber man sollte das eine tun und das andere nicht lassen. Wir wollen eine Entwicklung aufgreifen: Immer mehr Nachbarstaaten in Europa entscheiden sich für Freiwilligenarmeen. Wenn ich für eine solche Organisation bin, muß ich mir auch überlegen, wer dort arbeiten darf.

Wie war die Resonanz in Ihrer Partei auf Ihren ersten Vorstoß zu diesem Thema?

Das Echo war sehr geteilt. Es gab viele, die sich grundsätzlich gegen meine Thesen ausgesprochen haben. Es gab aber auch viele, vor allem jüngere Frauen, die das begrüßen, weil sie nicht hinnehmen wollen, daß der Gleichheitsgrundsatz verletzt wird.

In Berlin hat Bündnis 90/Die Grünen gegen das öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr und gegen die Nato-Tagung mobil gemacht. Überfordern die gegensätzlichen Botschaften aus Ihrer Partei nicht allmählich das Publikum?

Wir hatten schon immer sehr aufmerksame Anhängerinnen und Anhänger, die verschiedene Dinge auch sehr gut unterscheiden können. Männerrituale wie der Große Zapfenstreich oder das öffentliche Gelöbnis in Berlin abzulehnen ist eine Sache. Eine andere ist der Einsatz gegen die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Ausgeschlossen hat der Bundestag vor 40 Jahren die Frauen mit der Begründung, der Dienst an der Waffe stünde der „Natur und Bestimmung der Frau“ entgegen. Sich darauf zu berufen ist antiquiert.

Kennen Sie Frauen, die sich bei der Bundeswehr zum Waffendienst verpflichten wollten?

Nein. Aber ich werde demnächst Frauen in der Bundeswehr besuchen, die sich beklagen, daß ihnen die Laufbahnen nicht offenstehen, weil ihnen der Dienst an der Waffe verwehrt wird. Interview: Hans Monath