Das macht echt böse!

■ „Böse Mädchen“ im Schmidt: Ein Frauenabend geht in die Frauenhose

„Böse Mädchen“ lautet es giftig über den Spielbudenplatz, und wie vielversprechend hätte die Drohung klingen können. Aber dann geht es los: Vier Frauen trudeln nach und nach in einem isoliert liegenden Raum ein, aus verschiedenen Richtungen kommend, zu verschiedenen Zielen unterwegs. Hinter der letzten knallt die Tür ins Schloß. Nun sitzen sie da und müsen es mit sich aushalten, und nur weil wir im Schmidt sind und ein Alsterwasser auf dem Tisch steht, ist die abgestandene Existentialisten-Grundidee überhaupt ein paar Minuten zu ertragen.

Keine Charaktere sind die vier Frauen, sondern Prototypen. Andrea Bongers ist die taffe Geschäftsfrau („Ich habe keine Uhr, ich habe eine Rolex!“) mit den drei Liebhabern und dem kühlen Verhältnis zum Rest der Welt. Francesca de Martin ist das aufopfernde italienische Mütterlein, aufgerieben zwischen dem Ehekerl und dem Söhnchenkerl. Patricia Gorlino ist die freischwebende Anarchistin mit dem zielsicheren Griff und Karin Winkler das scheue Mauerblümchen mit dem Hang zum Traumprinzen. Zwei Stunden werden diese Abziehbilder brauchen, ehe sie geläutert und zum „bösen Mädchen“ mutiert, wieder freigelassen werden, und nichts wird ausgelassen, kein Klischee, kein platter Lacher, keine Pseudo-Tiefe in dramatisch ausgeleuchteter Lebensbeichte.

Es ist so, als ob Nena, statt 99 Luftballons aufzublasen, mit ihren Nenagesten entschieden hätte, daß sie nun ganz, ganz böse und frei sein wolle. Unterstrichen wird der Eindruck von den Liedtexten, deren patente und ungewollt komische Banalität an die Edith Jeske von „Ladyboys“ erinnert.

Natürlich gibt es neben den absoluten Tiefpunkten (etwa die Neuinterpretation von „Schneewittchen und die sieben fickenden Zwerge“ oder „Maria und die Vermarktung der Unbefleckten“) auch kleine Höhepunkte: Andrea Bongers' eben wirklich schöne Stimme oder ein spanischsprachiges Lied von Patricia Gorlino, die wie alle (mit Ausnahme von Karin Winkler, die auch schauspielerisch überzeugt) viel besser singt als spielt.

Wie blöd, daß der Abend keinen ausgewiesenen Autor hat. So ist niemand dafür verantwortlich, daß Böse Mädchen so ist wie es ist: Zu angestrengt ernstgemeint, um schrill zu sein, und zu schlecht, um ernstgenommen zu werden. Da haben die Mädchen schon so viele Stühle auf der Bühne, und sitzen zielsicher zwischen allen.

Thomas Plaichinger