Auf Roller Blades gegen Sparpolitik

Berliner StudentInnen drehten sich 24 Stunden lang um den Ernst-Reuter-Platz. Doch das Engagement gegen „Bildungsklau und Sozialabbau“ nimmt an der Basis schon wieder ab  ■ Aus Berlin Tobias Rapp

Gestern mittag vor der Technischen Universität (TU) in Berlin: Ein Dutzend Unermüdlicher joggt, radelt oder saust auf Roller Blades um den Ernst-Reuter-Platz in der Nähe des Bahnhof Zoo. Eine studentische Aktionsgruppe hat zum „24-Stunden-Lauf“ gegen die Sparpolitik des Senats aufgerufen – allerdings nur auf einer Spur des Kreisels. Der Verkehr fließt normal weiter.

Seit Wochen halten die StudentInnen die Stadt auf Trab. „Gegen Bildungsklau und Sozialabbau“ ist die Überschrift, unter der sie gegen die Sparpläne des Senats protestieren. Seminare und Vorlesungen werden in der U-Bahn und vor der Gedächtniskirche abgehalten, an einigen Instituten wird gestreikt. „Wir können ja nicht immer nur Straßen blockieren“, sagt Jörg, Student an der Ostberliner Humboldt-Universität, der bereits drei Runden hinter sich hat. Leo, einer der Organisatoren, erzählt, er habe auch NichtstudentInnen eingeladen, mitzulaufen. „Es ist wichtig, daß der Protest nicht auf die Hochschulen beschränkt bleibt.“ Zu sehen ist jedoch niemand.

In der Nacht zuvor hatten bereits etwa 60 Studenten versucht, die Hauptgebäude der Freien Universität in Berlin-Dahlem (FU), Rost- und Silberlaube, zu besetzen. Die Unileitung reagierte prompt und ließ das Gebäude räumen. Dabei kam es zu einer Festnahme.

Die laufenden Aktionen signalisieren auch das Bemühen der Studentenverteter, die Leute bei der Stange zu halten. Denn schon macht sich eine gewisse Protestverdrossenheit an den Universitäten breit. Erschienen vor einigen Wochen 1.500 StudentInnen zur Vollversammlung an der FU, waren es in der letzten Woche nur noch knapp 600.

„Die AktivistInnen sind etwas müde geworden“, sagt Ulrike Gonzalez, FU-Hochschulreferentin. „Es wurde zuwenig inhaltliche Arbeit geleistet, das holen wir jetzt nach.“ Für einen effektiven Studentenstreik wie im Winter 1988/89 jedenfalls fehlt im Moment die Basis. Zwar hat die FU- Vollversammlung einen Streik beschlossen – dieser ist jedoch praktisch nicht umsetzbar. So gehen an vielen Instituten die normalen Lehrveranstaltungen weiter.

„Zu vielen Studenten ist immer noch nicht durchgedrungen, worum es für sie geht“, meint Ulrike Gonzalez. Denn an den Berliner Hochschulen soll gespart werden: Auf dem Spiel stehen eine Reihe von Studiengängen sowie Gelder für Tutoren. Die Unibibliotheken sollen für den Rest des Jahres keine Bücher mehr kaufen können, für die StudentInnen soll die Immatrikulationsgebühr auf 100 Mark erhöht werden.

Den Studenten, die in diesen Tagen protestieren, geht es dabei nicht nur um die Lage der Unis. Sie fühlen sich auch von dem Sparpaket der Bundesregierung betroffen.

„Ein Großteil von uns muß arbeiten gehen. Dinge wie Abbau des Kündigungsschutzes betreffen einen dann auch“, sagt Malte, Student an der TU. Das den Kommilitonen zu vermitteln, erweist sich jedoch als schwierig. „Mir kommt diese Masse unpolitischer Studenten langsam vor wie Normopathen“, faßt er seine Eindrücke zusammen. „Sie halten krankhaft an einer Normalität fest, die es so gar nicht mehr gibt. Dabei sind die Studenten vom Sozialabbau genauso betroffen. Langsam muß doch der Dümmste kapieren, daß es allen an den Kragen geht.“