Beratungszwang vor der Abtreibung

■ Bayern treibt eigenen Sonderweg beim Abtreibungsrecht voran. SPD und Grüne setzen darauf, daß ein entsprechendes Gesetz vom Verfassungsgericht wieder gekippt würde

Berlin (taz) – Wenn es um den Schutz des werdenden Lebens geht, scheuen die Bayern nicht einmal einen veritablen Verfassungsbruch. Trotz massiver Proteste seitens der Grünen und der SPD, trotz eines Briefes von Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) will die bayerische CSU ihr neues Gesetzesvorhaben zur Verschärfung des Abtreibungsrechts durch den Landtag peitschen. Danach sollen Frauen, die eine Abtreibung planen, in der Beratungsstelle gezwungen werden, ihre Gründe für den Schwangerschaftsabbruch mitzuteilen. Verweigern sie dies, erhalten sie keinen Beratungsschein und können nicht abtreiben. Zudem will Bayern, das ist der zweite wichtige Punkt des neuen Landesgesetzes, vorschreiben, daß Arztpraxen mit Abtreibungen nicht mehr als 25 Prozent ihres Einkommens bestreiten dürfen. „Damit“, so die frauenpolitische Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag, Petra Münzel, „wird verhindert, daß Spezialisten die Einbrüche duchführen.“ Letztlich wirke sich diese Regelung nur nachteilig auf die Gesundheit der Frauen aus.

Vor allem jene geplante Bestimmung, wonach Frauen ihre Gründe für den Abbruch offenbaren sollen, steht im direkten Widerspruch zu dem entsprechenden Bundesgesetz, dem „Schwangerschaftskonfliktgesetz“. Dort heißt es: „Der Beratungscharakter schließt es aus, daß die Gesprächs- und Mitwirkungsbereitschaft der Frauen erzwungen wird.“

Sollten die neuen Regelungen tatsächlich verabschiedet werden, setzen SPD und Grüne darauf, daß das Verfassungsgericht die Regelungen für verfassungswidrig erachten wird. Im Vorfeld versucht Bayerns SPD mittels einer Unterschriftenliste Druck zu machen. „Obwohl diese Aktion erst seit wenigen Tagen läuft“, so die frauenpolitische Sprecherin der SPD im Bayerischen Landtag, Monika Lochner-Fischer, „habe ich schon viele unterschriebene Listen zurückerhalten.“

Bayerns Justizminister Hermann Leeb (CSU) läßt dies alles kalt. Bayern werde von seiner Rechtsauffassung „kein Jota“ abrücken, sagte er am Dienstag nach einer Kabinettssitzung. Und die Sozialministerin Barbara Stamm (CSU), in deren Haus der Gesetzentwurf geschrieben wurde, erklärte den Beratungszwang wegen des Lebensschutzes für unvermeidbar. „Es werde sich ja zeigen“, so die SPD-Frau Lochner-Fischer, „ob unsere Sozialministerin auch dann noch so selbstbewußt klingen wird, wenn sie erst mal 10.000 bis 20.000 Unterschriften gegen ihr Vorhaben auf dem Tisch hat.“ Julia Albrecht

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