Safer Lex in USA

Gesetz, das Homosexuellen staatlichen Schutz verweigert, wurde von Gericht aufgehoben  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Die einen ließen die Sektkorken knallen; die anderen wähnten sich dem Weltuntergang ein Stück näher. Mit überschwenglichem Jubel reagierten gestern die Schwulen- und Lesben-Organisationen auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der USA, ein Gesetz des US-Bundesstaats Colorado zurückzuweisen, das Schwulen und Lesben jeden Schutz vor Diskriminierung verweigert. Mit sechs zu drei Stimmen befanden die Richter, daß es mit dem verfassungsmäßigen Recht aller Bürger auf Schutz durch das Gesetz nicht zu vereinbaren sei, einer Gruppe diesen Schutz zu verweigern.

Damit haben die obersten Richter einen Schlußstrich unter eine Auseinandersetzung gezogen, die Anfang der 90er Jahre in Colorado ihren Anfang nahm. Dort hatten unter anderem die Stadtverwaltungen von Aspen und Denver Verordnungen erlassen, die jede Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt verbot. Konservative Politiker und Gruppen der christlichen Rechten formulierten daraufhin einen Zusatz für die Verfassung des Bundesstaates, der „Homosexuellen, Lesben und Bisexuellen“ explizit jeglichen Anspruch auf staatlichen Schutz vor Diskriminierung absprach.

1992 sprachen sich 53 Prozent der Bevölkerung in einem Referendum („Amendment 2“) für diesen Zusatz aus, was umgehend zu Protesten seitens der Schwulen- und Lesbenbewegung und zahlreicher Bürgerrechtsorganisationen führte – mit prominenter heterosexueller Unterstützung von Barbra Streisand und anderen Größen des US-amerikanischen Showbiz, die bislang ihre Winterferien im Nobelort Aspen verbracht hatten. Ein schwuler Angestellter der Stadtverwaltung Denver namens Richard Evans klagte gegen das Referendum – und gewann vor dem Obersten Gerichtshof.

Der hat sich damit meilenweit von seiner Position Mitte der 80er Jahre entfernt, als er im Fall Bower v. Hardwick befand, daß das gesetzliche Verbot von Sodomie (gemeint ist damit in den USA schwuler und lesbischer Sex) im US-Bundesstaat Georgia nicht gegen das Verfassungsrecht auf Schutz der Privatsphäre verstößt.

Um so vehementer war der Protest der drei unterlegenen Richter, nach deren Auffassung „Amendment 2“ durchaus mit der US-Verfassung zu vereinbaren gewesen wäre. In einer für das Gericht höchst ungewöhnlichen Prozedur verlas Richter Antonin Scalia, prominentester Vertreter des rechten Flügels im „US-Supreme Court“, die Begründung der Minderheit laut im Gerichtssaal. „Amendment 2“, so Scalia, sei nichts anderes gewesen als der „bescheidene Versuch durchaus toleranter Bürger in Colorado, traditionelle Sitten und Auffassungen über Sexualität gegen die Anstrengungen einer politisch mächtigen Minderheit zu verteidigen“. Das Gericht habe seine Reputation aufs Spiel gesetzt, indem es die Ablehnung von Homosexualität für ebenso verwerflich erklärt habe wie rassische oder religiöse Vorurteile.

So argumentierte auch die „Traditional Values Coalition“, die „Amendment 2“ unterstützt hatte: Das Gericht habe den „moralischen Bürgern von Colorado das Recht genommen, sittliche Standards für ihre Gemeinden zu setzen“.