Und hoch den Puschel!

■ Beim Cheerleading-Wettbewerb ist den "Berliner Jungs" mindestens die Bronzemedaille sicher. Das Pompoms-Schwingen ist noch reine Männersache

So selbstverständlich wie Cheerleading zum amerikanischen Football gehört, so schwierig ist es, den Sinn und Zweck der Übung hierzulande zu erklären, noch dazu, was eine solche Disziplin bei einem Homo-Sportfest zu suchen hat. Letzteres leuchtet schon mehr ein, wenn man weiß, daß das wichtigste Utensil des Cheerleaders zwei „Pompoms“ oder „Puschel“ sind – das klingt immerhin schon irgendwie tuntig. Diese bunten, überdimensionalen, rasierpinselähnlichen Gebilde werden im Rhythmus durch die Luft gewirbelt, begleitet von Sprechchören und akrobatischen Übungen.

Cheerleader sollen das Publikum anheizen und zu Anfeuerungsrufen für ihr Team animieren. Die „Berliner Jungs“, die Cheerleader des schwulen Sportvereins Vorspiel e.V., geben sich allerdings nicht damit zufrieden, in den Pausen als Randerscheinung am Spielfeld zu agieren. Sie möchten selbst Mittelpunkt sein und verstehen sich deshalb eher als Show- und Tanzgruppe. Anheizen tun sie dabei natürlich auch, ob nun bei der Parade zum Christopher Street Day, wo die Idee zu einer Cheerleading-Gruppe entstand oder bei Auftritten vor Christos verpacktem Reichstag und bei der Weihnachtsfeier der Senatsverwaltung für Jugend, Familie und Sport. „Der Puschel lebt“ heißt es dann, und alle Vorurteile, daß es sich bloß um ein paar alberne, kreischende Tunten im Fummel handelt, sind dahin, betrachtet man die sportive, dynamische und durchaus schweißtreibende Performance der „Berliner Jungs“. Gelegentlich treten sie tatsächlich beim American Football auf, bei wichtigen Spielen des Frauenteams der Berlin Adler.

Bei den Eurogames ist den „Berliner Jungs“ zumindest die Bronzemedaille sicher, gehen außer ihnen doch nur die Kölner „Pink Poms“ und die Cheerleader des schwulen Fußballteams aus Hamburg an den Start. Fünf unabhängige Juroren aus dem Ausland, die ganz bewußt keine Ahnung von Cheerleading haben sollen, bewerten Choreographie, künstlerischen Ausdruck und Synchronität der Teams in Pflicht und Kür. Zu erwarten ist eine Mischung aus Eiskunstlauf- und „Grand Prix de la Chanson“-Atmosphäre.

Für das Pflichtprogramm muß sich jedes Team zu einem vorgegebenen Musiktitel eine eigene Choreographie ausdenken. In diesem Jahr fiel die Wahl auf Chrystal Waters „100% pure Love“ – ein Homo-Hit vom Feinsten. In der Kür sind der Phantasie dann keine Grenzen mehr gesetzt. Welche Überraschungen sich die „Berliner Jungs“ dafür ausgedacht haben, wird noch nicht verraten – nur soviel: ein „Berlin: zero points“ in der Tradition deutscher Grand-Prix- Beiträge wird sicher nicht drin sein.

Ihren eher sportiven Charakter betonen die Cheerleaders des SSV Vorspiel auch dadurch, daß sie im Gegensatz zu den anderen schwulen Teams, die auch schon mal in Perücke und kurzem Röckchen auftreten, nur in Sportkleidung zu sehen sind. Zu den Eurogames wurden etwa eng anliegende weiße Turnhemdchen mit dem Teamnamen angefertigt – auch wenn diese teilweise etwas auftragen, wie es bei der Anprobe hieß.

Zu den eindrucksvollen tänzerischen Darbietungen der „Berliner Jungs“ gehören die „Schraube“ und der „Ägyptenschritt“. Frei nach dem Popsong „Walk like an Egyptian“ wird hierbei die rechte Hand nach vorne, die linke nach hinten abgewinkelt und dabei in die Knie gegangen. Für die Zukunft möchten die „Berliner Jungs“ aber auch traditionellere Elemente des Cheerleading, also Singen und Sprechchöre, mit ins Programm nehmen. Dann werden sie demnächst öfter am Spielfeldrand tanzen und das Publikum zur erwünschten Raserei bringen. Wenn dann burschikose Lesben mit kräftigen Waden Fußball spielen, und die Tunten am Rand kreischend ihre bunten Puschel schwingen, ist die Homo-Sportwelt ganz zu einer Persiflage ihres eigenen Klischees geworden.

Der Cheerleading-Wettbewerb der Eurogames soll allerdings nicht zu ernstgenommen werden, sondern in eine riesige Party übergehen. Außerdem werden die Deutschen Meisterinnen im Cheerleading auftreten (ja, die gibt es wirklich, nicht nur Schwule machen so was), die Spandau Bulldogs. Beim Homo-Sport ist Cheerleading bislang allerdings reine Männersache. Das mag wohl daran liegen, daß die Zeiten für tuntige Lesben einfach noch nicht gekommen sind. Doch wenn der lesbisch-schwule Sportboom in diesem Tempo weitergeht, werden bald viele Lesben ihre Jazztanzvergangenheit bewältigt haben und massenhaft ihr Cheerleading-Coming-out haben. Manuela Kay

Der Cheerleading-Wettbewerb findet am Freitag, den 17. Mai ab 20 Uhr im Haus der Jugend, Zillestraße 54 (Charlottenburg) statt.