StudentInnen wollten Schäuble nicht reden lassen

■ Polizeieinsatz an der FU. Nächste Montagsdemo: Trauermarsch für Frau Zukunft

Die „Zukunftsfragen der Europäischen Einigung“ wurden am Montag abend auf dem Campus der Freien Universität (FU) höchst handfest verhandelt. So nämlich hieß das Referat, das der Bonner CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble auf Einladung des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) im Henry-Ford- Bau hielt. Eine Gruppe von StudentInnen aus FU und TU hinderte ihn per Pfeifkonzert am Reden, entrollte ein Transparent und skandierte „Bleiberecht für alle“ und „Hoch die internationale Solidarität“.

Daraufhin wurden sie von RCDS-Mitgliedern und privaten Ordnungskräften aus dem Saal gedrängt. Letztere hatte das Präsidialamt engagiert, um „bei Zwischenfällen nicht gleich die Polizei rufen zu müssen“.

Die „friedlichen Protestierenden“ seien „brutal“ geschlagen und getreten, gewürgt und gestoßen worden, monierten der Asta der FU und eine Studentische Pressegruppe der TU gestern in Pressemitteilungen. Auch FU-Präsident Johann Gerlach und sein Verwaltungschef Peter Lange hätten sich „schlagkräftig an der Vertreibung beteiligt“ und schließlich die Polizei gerufen. Diese habe außerhalb des Saales auf die Protestierenden eingeschlagen, 15 verletzt und drei festgenommen.

Laut Polizeipressestelle wurden acht Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch, versuchter Gefangenenbefreiung, gefährlicher Körperverletzung und Widerstand aufgenommen.

Frank-Uwe Fuhrmann, Mitarbeiter des Präsidialamts und Augenzeuge der Vorfälle, konnte eine körperliche Mitarbeit des Präsidenten nicht bestätigen. Gerlach habe sich nur verbal eingemischt. Verwaltungschef Lange indes habe tatsächlich bei der Abdrängung der Protestgruppe mitgeholfen und per Polizeimegaphon angekündigt, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen. Als die herbeigeeilten Polizisten im Foyer einen Studenten festhielten, weil er einen ihrer Kollegen geschlagen haben soll, hätten andere StudentInnen ihn herausholen und seinen Abtransport verhindern wollen, so daß die Auseinandersetzungen auf der Straße weitergingen. „Wir bedauern die Eskalation“, so der Präsidialamtsmitarbeiter, „aber die FU wird sich nicht vorschreiben lassen, wer hier redet.“

Unterdessen beraten die StudentInnen aller Hochschulen, wie es mit den Protesten weitergehen soll. Bei der gestrigen Vollversammlung in der TU mehrten sich die Stimmen, neue Bündnispartner – Gewerkschaften und alle von Sozialabbau betroffene Gruppen – für gemeinsame Aktionen zu suchen. In der Vollversammlung der Humboldt-Uni wurde ein unbefristeter Streik mit knapper Mehrheit abgelehnt, aber eine Fortsetzung der Montagsdemonstrationen und anderer Protestformen befürwortet. Am vorgestrigen Montag waren 500 StudentInnen von der Neuen Wache zum Bebelplatz und 2.000 Studierende durch die westliche Innenstadt gezogen, wo sie zum Abschluß alle von sozialen Kürzungen betroffenen Gruppen zum Mitmachen bei den künftigen Montagsdemos aufforderten. Am kommenden Montag soll ein großer Trauermarsch stattfinden, auf dem „Herr sozialer Frieden und Frau Arbeit“ unter möglichst großer Beteiligung außeruniversitärer Gruppen zu Grabe getragen werden sollen. Ute Scheub