Jetzt nachsprechen!

■ Michael Deyers Film „Shorty“ distanziert Lebensentwürfe

Eigentlich ist es ja das Unzuverlässigste, will man etwas über eine Persönlichkeit und nicht deren Kunst erfahren, die Person selbst Auskunft geben zu lassen. Aber bestimmt nicht das Unzulässigste. Wie zu sehen in dem theaterhaften Streifen Shorty des Regisseurs Michael Dreyer. Nach einigen Interviews mit seinem Schwager und dessen Freundinnen aus verschiedenen Lebensabschnitten verabredete sich Dreyer mit dem Kumpel und den Kumpelinnen Svenja Rossa, Francoise Cactus, Schorsch Kamerun und Katja Uckert zu Filmaufnahmen. Die transkribierten Interviews ließ Dreyer von den Vieren nachsprechen. Mit großem Effekt: Sie wissen genau, was sie sagen, aber sie trauen kaum dem, was sie reden.

Die drei Frauen und „Shorty“ haben sich durch die ersten Nachkriegsjahrzehnte gewuselt, versuchten es mit Musik, Politik und Jobs, verachteten Studenten, hofften auf den Durchbruch und erlebten ein paar soziale Wechselbäder. Vor allem Kamerun und Rossa machen daraus erzählend eine Geschichte, in der die Personen zu sich und den Ereignissen Stück für Stück einen lichtjahrweiten Abstand einlegen.

Nur diffus interessierte sich beispielsweise „Shorty“ für oppositionelle, linke Ideen. Wenn aber „Shorty“/Kamerun von einem Erlebnis berichtet (“Ich spielte in der Nacht Schlagzeug, also das war fast...Gene Krupa“) und Rossa/“Renate“ mit fast der gleichen Einstiegsformulierung (“Er spielte Schlagzeug, das war fast...Gene Krupa“) ihre Version eröffnet, hakt sich beim Zuschauer etwas ein. Das in den postmodernen 80ern als Subjektiv! angeschrieene Erleben und die in den ego-lastigen 70ern gemachte Neuentdeckung des Individuums werden kommentiert. Sämtliche müßigen „Du-kannst-mein-Problem-nicht-begreifen-weil-du-nicht-ich-bist“-Diskussi onen erledigen sich. Man begreift eben doch, wenn man die Darsteller reden hört und sieht.

Michael Dreyer hat mit seinem Film mindestens eine tragische Version einer Zeile der Gruppe Blumfeld geliefert: „Für dich zählt auch nicht, was du erlebst, sondern nur, was du davon erzählen kannst.“ Unter den Pflastern, die sich über die Lebenszeit auf der Haut ausbreiten, liegt der Schmerz. Und der bekommt nur in einigen, wenigen Momenten etwas Sentimentales. Nämlich, wenn die am besten spielende Svenja Rossa offensichtlich nach der Vorstellung Dreyers in der Gesichtstotalen den Ausdruck der für Menschheitsbestürzung zuständigen Schauspielerin Angela Winkler annehmen soll. Kristof Schreuf

Sonntag, 22 Uhr, Pudels Club, zur Einleitung wird die im Film ebenfalls zu sehende Band Spießerkiffer auftreten.