■ Mit Ozonsmog auf du und du
: Das Asthma, das aus dem Auspuff kommt

Berlin (taz) – Der durch Autoabgase verursachte Ozonsmog an Sommertagen verursacht noch viel schlimmere Gesundheitsschäden als bisher angenommen, warnte gestern Greenpeace bei der Vorstellung einer neuen Studie in Berlin. Der Arzt Markus Budinger, der für Greenpeace rund 600 wissenschaftliche Veröffentlichungen über die Wirkung des Ozons ausgewertet hatte, sprach gar von einer „tickenden Zeitbombe“: Es sei „überhaupt noch nicht absehbar, welche Schäden sich bei den Kindern addieren“.

Kinder sind durch das Reizgas „mindestens zehnmal mehr gefährdet“ als gesunde Erwachsene, fand Studienautor Budinger heraus. Das Bewegungspensum eines Zweijährigen entspreche dem eines ausgewachsenen Hochleistungssportlers, gleichzeitig aber könne das Reizgas in den kindlich kurzen Atemwegen viel mehr Schäden anrichten. Die spürbaren Folgen – tränende Augen, Reizhusten, Kratzen im Hals, Herabsetzung der Immunabwehr, Bronchiolitis und Bronchitis – seien dabei noch „das Geringste“. Viel schlimmer sei, daß dadurch nachweislich Asthma, Pseudokrupp und allergische Erkrankungen wie Heuschnupfen gefördert würden.

Seit 1960 hätten sich die Ozonwerte verdoppelt, gleichzeitig seien die Fälle von allergischem Asthma „in den letzten zehn Jahren um 125 Prozent gestiegen“. Inzwischen leide fast jedes fünfte Kind an Asthma und Atemwegsallergien. Wer betroffen ist, weiß, was das im Extremfall heißt: Atemnot und regelrechte Erstickungsanfälle.

Schon bei Ozonwerten von 160 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft „wurden in Los Angeles rund 60 Prozent und in Mexico City rund 70 Prozent mehr Asthmaanfälle bei Kindern registriert“, heißt es in der Studie. „Nach drei Tagen Ozonsmog betrug der Anstieg in Mexico City sogar 133 Prozent“. Seit Verabschiedung des „Ozongesetzes“ im Juli 1995 werden in Deutschland Fahrverbote erst nach Überschreiten von 240 Mikrogramm ausgesprochen – einem Wert, der laut Studie allergisches Asthma „schon im Ruhezustand“ fördert.

Weitere böse Langzeitwirkungen, die die gesamte Bevölkerung treffen: Je höher die Ozonkonzentration, desto nachhaltiger werden die empfindlichen sogenannten kleinen Atemwege geschädigt. Die biologisch irreparablen Folgen zeigen sich laut Studie in chronischen Entzündungen, Lungenvernarbungen und vorzeitiger Lungenalterung, außerdem begünstigen sie Lungenkrebs.

Auch für ältere Menschen birgt der Ozonsmog besondere Gefahren. Weil Lungen und Kreislauf nicht mehr voll funktionieren, entstehen schnell Lungenentzündungen. In Minneapolis und New Haven wurden laut Studie selbst bei nur gering erhöhten Ozonwerten bis zu 28 Prozent mehr alte Menschen ins Krankenhaus eingeliefert.

All diese neuen Erkenntnisse seien in den Anhörungen des Bundestags vor Verabschiedung des Ozongesetzes „in keiner Weise berücksichtigt worden“, kritisierte Greenpeace- Luftexperte Karsten Smid. Der „unverantwortlich hohe“ Grenzwert von 240 Mikrogramm führe zu „staatlich sanktionierter Körperverletzung“. Greenpeace forderte Umweltministerin Angela Merkel (CDU) auf, diesen Wert „auf 100 bis 120 Mikrogramm“ abzusenken. Ute Scheub