„Im Grunde meines Herzens bin ich ein Jäger“

■ Rainer Gsell, Schädlingsbekämpfer in Essen, über die skurrilen Seiten seines Berufes, den Jagdtrieb, das Aufspüren und Erkennen des Feindes und die Wahl der richtigen Waffen

taz: Kennen Sie das Witzbild, auf dem der Exterminator eine riesengroße Schabe ist?

Rainer Gsell: Leider nein. Aber früher hab' ich im Fernsehen sehr gern Alf geguckt. Weil da diese lustige Riesenkakerlake mitspielte.

Sie können ihrer Arbeit Erheiterndes abgewinnen?

Ich kann den skurrilen Aspekt nutzen. Unsere New Yorker Kollegen etwa veranstalten jedes Jahr für die Stadtbevölkerung einen Wettbewerb. Gewinner ist der, der die größte Schabe fängt. Als Preis bekommt man einen Wartungsvertrag mit einem Schädlingsbekämpfungsunternehmen.

Betörend.

Und eine große Ehre für den Gewinner. Beim letzten Mal wurden sogar Betrugsversuche aufgedeckt. Eine angeblich 15 Zentimeter große Schabe wurde unter dem Mikroskop aus mehreren anderen zusammengesetzt.

Statt dessen hätte man die Gewinnerschabe mit Leckerbissen hochpäppeln können.

Völlig unmöglich. Denn Insekten haben ein Außenskelett, das nicht veränderbar ist. Da stellt sich keine Wampe ein, die Viecher würden schlicht aufplatzen.

Im Grunde ihres Herzens sind Sie ein Jäger.

Das sind wir Schädlingsbekämpfer doch alle. Das Wichtigste an unserem Beruf ist das Aufspüren und Erkennen des Feindes und die Auswahl der richtigen Waffe. Wie die Jäger greifen wir in einen Bereich der Natur ein, weil dort kein biologisches Gleichgewicht mehr herrscht.

Und was ist am schwierigsten zu jagen?

Pharaoameisen, winzig klein und gelb. Weil sie Proteine fressen, können sie Krankheiten übertragen. In Krankenhäusern neigt diese Ameisenart dazu, unter Wundverbände zu kriechen und Wundsekret aufzunehmen.

Plötzlich kriecht die todbringende Sepsis heran.

Genau. Aber das wirklich Gemeine an den Tierchen ist, daß sie eine besondere Verhaltensweise entwickelt haben. Wenn man Insektizide sprüht, verkriecht sich der gesamte Ameisenstaat sofort an einen giftfreien Ort. Der Staat kann nämlich von der eigenen Nachkommenschaft leben, entwickelt dann sogar Kannibalismus. Und nach einem halben Jahr kommen die Tierchen wieder zurück. Interview: Thomas Meiser