Das Wandern ist des Studenten Lust

Heute gemeinsamer Aktionstag aller Berliner Hochschulen. Unterschiedliche Routen der Protestzüge vors Rote Rathaus. Überfüllte FU-Vollversammlung geißelte Senat  ■ Von Markus Grill

Gemeinsam kämpfen, getrennt marschieren: Um 11 Uhr treffen sich heute StudentInnen, DozentInnen und ProfessorInnen am Ernst-Reuter-Platz. Sie wollen mit einem Spaziergang vors Rote Rathaus gegen die Kürzungen an den Universitäten demonstrieren. Alle Berliner Hochschulen haben zu der politischen Wanderung aufgerufen. Präsidenten und ProfessorInnen wollen über die Straße des 17. Junis nach Mitte laufen.

Studenten halten das für Blödsinn. „Wir werden nicht hinter den Präsidenten herspazieren“, erklärte der Asta der Technischen Universität gestern. Die Asta-Kollegen an der FU sagen, daß ein Marsch durch den Tiergarten vielleicht die Kanninchen interessiere, nicht aber die Bevölkerung. Deshalb sollen sich die Studierenden lieber ihrer Route anschließen: über den Ku'damm Richtung Potsdamer Straße und Potsdamer Platz zu Diepgens Dienstdomizil.

In den Stellungnahmen der Studentenvertreter wird immer wieder betont, daß sich der Protest nicht nur gegen die Kürzungen an Universitäten, sondern ebenso gegen die „Umverteilung von oben nach unten“ in der ganzen Gesellschaft richtet.

Auf einer Vollversammlung im FU-Audimax protestierten gestern weit über 2.000 StudentInnen gegen die Sparpolitik. Der Saal war zum Bersten voll, Trauben von Leuten bildeten sich noch um die Eingänge, die Reden wurden in einen weiteren Hörsaal übertragen. Politikprodekan Elmar Altvater sagte: „Ich bin seit den Siebzigern an dieser Uni, aber ich kann mich nicht daran erinnern, daß schon mal so viele Studenten der Einladung eines FU-Präsidenten gefolgt waren.“ Die Senatssparpolitik kanzelte Altvater als die Kehrseite der hiesigen Verschwendungspolitik ab. Unter dem Beifall der Menge erinnerte er an die Olympiabewerbung und den Tiergartentunnel. Der Alt-68er verwahrte sich gegen den „inneruniversitären Kannibalismus“, mit dem Kollegen jeweils Kürzungen beim Institut von anderen Kollegen empfahlen. FU-Präsident Gerlach zog ebenfalls kräftig gegen die Senatspolitik zu Felde. Sie folge nur noch dem Leitbild einer primitiven Effektivität. Diepgen und Co. interessierten sich nicht wirklich für die Belange der Unis. In der Erhöhung der Semestergebühr um 100 Mark pro Student sah er einen „Einstieg in Studiengebühren“. Gerlach betonte aber auch, daß die Studenten „immer noch eine privilegierte Position in dieser Zweidrittelgesellschaft einnehmen“.

Bei der geplanten Bafög-Verzinsung gehe es „bloß noch ums Abkassieren“. Gerlach regte verstärkte uniinterne Diskussionen an und forderte schließlich: „Stopp mit dieser Regierung.“