Wie man eben so redet ...

■ Das Hörspiel „Frauentags Ende oder die Rückkehr nach Ubliaduh“ (Samstag, 20.05 Uhr, Deutschlandfunk)

Sie reden wieder über Deutschland. Hört noch jemand zu? Ich hoffe schon! Denn dieser temperamentvolle „Osten“ ist so vollgepumpt mit Eigenleben, daß er sogar aus seinen Nähten platzt. Manfred Krug (als Klaus Paasch) kann beispielsweise gleich zu Anfang seinen Auftritt nicht erwarten und verpatzt der Ansagerin ihre Routinenummer. Verspielt singt er dazwischen „Oobliadie“, während sie den Hörspieltitel runterleiert: „Ubliaduhu“. Es gibt ein verbales Handgemenge, in dem sie hörbar genervt und autoritär den Text zu Ende bringt. Er aber trällert unbeirrt sein Dizzy-Gillespie-Motiv, das uns somit sanft in die erste Szene weht ...

Silvester 89/90 – die Wende- Jahreswende. Zwei Ost-Typen, ein Zahnarzt und ein Romanist, sitzen im Suff zusammen und kämpfen mit den neuen (Cognac-)Namen: „Napoleon?“ Sie zappen sich durch ihr vergangenes Leben und stapeln Flashback über Flashback. Ihr Dialog ist unlogisch, assoziativ. So wie man draußen im Leben eben redet – und wie es viele Autoren ihren Kopfgeburten leider nur zu selten erlauben. Hier quatschen sie vom Leipzig damals in den Fuffzigern, von ihren ungeliebten Damen, den ungelebten Reisen. Und auch von ihrem kurzen Seitensprung nach Westen.

So fängt es an und geht so weiter. Ständig umspielen Musik, Geräusch und subjektive Story die harten Fakten der (ost)deutschen Geschichte. Aus zwei Texten von Fritz Rudolf Fries mixte der MDR die Geschichte. Klaus Paasch (Krug) und Peter Arlecq (Winfried Glatzeder) sind Antihelden. Jedermänner, die eigentlich Unspektakuläres aus der DDR erzählen. („Geschichte von unten“ heißt der Textbaustein der Kritikerin). Doch das sonstwo Altbekannte wird durch Wolfgang Rindfleischs Regie wieder richtig durchgequirlt. Er zieht alle Register seiner Kunstform. Abenteuerliche Zeitsprünge und Überschneidungen von Bewußtseinsebenen wechseln zackig und lebendig. Geräusche, O-Töne und Musikfetzen reißen die Klischees bloß an, um sie im Augenblick der Wiedererkennung grinsend wegzublasen.

Alles klingt hier ein bißchen ungewohnter. Schräger. Der Glockenschlag (als Zeitsprung) scheppert, die Leipziger Schönheit sächselt ihre Liebesworte – übrigens ohne dabei denunziert zu werden. Ständig bebildern präzise gesetzte Töne dieses Stück. Sie reißen den Textfluß auf, provozieren kleine Lacher und komponieren auch eine visuelle Collage.

Über das lebendige, erzählende Hörspiel wird viel geredet. Wie schön, wenn's einer einfach macht! Und so hat diese Produktion auch nicht von ungefähr den diesjährigen „Hörspielpreis der Kriegsblinden“ abgestaubt. Gaby Hartel