Wir malen uns einen Senat

■ Kritisches Gutachten eines Experten über die Karikierbarkeit der SenatorInnen: Schönbohm hat hübsche hochfliegende Augenbrauen, aber die Frauen, herrje

Es soll schon Karikaturisten gegeben haben, die sich verzweifelt vom Funkturm stürzten, als sie den früheren Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) verewigen sollten. Solche Aufträge seien ausgemachter Sadismus, findet Zeichner Rainer Hachfeld: „Haase kann man nicht porträtieren, geschweige denn karikieren, denn niemand weiß, wie er aussieht. Er hat überhaupt kein Gesicht.“ Hachfeld malt eine große Null über einer Krawatte. „Selbst wenn ich ihn siebenmal gezeichnet hätte, würde ich ihn auf der Straße nicht wiedererkennen.“

Halleluja, schrien also die vereinten Karikaturisten Berlins, als Haase nach der letzten Wahl kein Senator mehr ward. Nie wieder Bungee Jumping vom Funkturm, schworen sie sich, nie wieder durchweinte Nächte. Nein, so schlimm wie mit Haase kann es nicht mehr kommen. Aber was um Himmels willen macht ein Zeichner, wenn eine Redaktion Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU) karikiert sehen will? Rainer Hachfeld nickt ernst mit dem Kopf. „Ein großes Problem“, gibt er zu. Grübelnd wendet er Fotos von der Dame hin und her. „Ich würde mich an der Frisur festhalten. Und an der großen Nase.“ Frau Hübner, passen Sie auf! Aber da läßt er schon wieder locker und schüttelt ratlos das graue Haupt: „Das bringt nichts. Bei Frauen muß man aufpassen, die rennen zum Friseur und sehen dann plötzlich ganz anders aus. Bei Männern kann das nicht so schnell passieren. Außer wenn sie Dr. Schneider heißen und sich auf der Flucht vor ihren Gläubigern das Toupet herunterreißen.“

Überhaupt die Frauen. Sie sind die Sargnägel vieler unglücklicher Zeichner. Je häßlicher der Mann, um so besser die Karikatur. „Aber wenn ich bei einer Frau die Häßlichkeiten herausstelle, wirkt das gekünstelt und gewollt“, stöhnt Rainer Hachfeld. Vor allem wenn sie eigentlich ganz ansehnlich sind wie Arbeits- und Frauensenatorin Christine Bergmann (SPD). „Ein schwieriger Fall“, konstatiert Profi Hachfeld. Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) sei da schon etwas einfacher auf Papier zu bannen: „Markantes Profil, ausgeprägte Mundwinkel, große Nase – die ganze Frau wirkt so aufrecht wie ihre Stoppelhaare.“

Ein gutes Modell gibt laut Karikaturistengutachten die Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) ab: „Sie sieht immer so aus, als ob sie gerade der Badewanne oder dem Rücksitz eines Motorrads entstiege.“ Noch ausdruckskräftiger sei Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit (SPD): „Gußeiserne Frisur, Brille, kräftige Nase, gute Kinnpartie – damit kommt sie schon fast an mein Lieblingsmodell Hanna-Renate Laurien heran. Allerdings fehlt ihr Lauriens unvergleichlicher katholischer Augenaufschlag.“

Kommen wir zu den Mannsbildern. „Auf'm Kopf in der Mitte sprießt was raus und wuchert überall hin“, bestaunt Hachfeld Fotos von Umweltsenator Peter Strieder (SPD). „Komische Kreuzung aus Bankangestellter und Apo-Unterwanderer“, findet der Karikaturist. Gesamturteil: „Entwicklungsfähig.“ Vielversprechend sei auch Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU): „Dem springt die Inkompetenz aus dem Gesicht. Da braucht man gar keine Karikatur mehr.“ Oder Kultursenator Peter Radunski (CDU): „Der Schnurrbart, das runde Gesicht – das ist der typische Berliner Biedermann, der peinliche Witze reißt.“

Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) hingegen wirke immer noch wie gerade seinen pfälzischen Weinbergen entstiegen: „Die Haare sind immer und ewig verweht. Der Mund ist genießerisch. Die Nase beugt sich tief ins Glas, auch wenn gar keins vorhanden ist. Und die Augen verschwinden fast, dadurch wirkt er stets verschlagen oder verschlafen.“ Während die anderen SenatorInnen allesamt große kräftige Nasen vor sich hertragen, gehörten Pieroth und Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) eindeutig zur Fraktion der Augenbrauenträger.

„Solche wunderschön die Glatze hochstrebenden Brauen“ wie bei Schönbohm, ach, da kribbelt dem Karikaturisten die Hand. Und was ist mit dem Chef? Der Künstler stöhnt dezent. „Ach, Diepchen.“ In jahrelanger Übung habe er gelernt, das Nichts zu zeichnen: zuerst das Dreieck zwischen Augen und Brauen, dann die gebogene Nase, das Wellenmündchen, die Tolle. Es sei aber nun mal „alte Berliner Tradition, daß der Senat und sein Vorsteher keinerlei Ausstrahlung hat“. Selbst Willy Brandt habe erst dann Profil gewonnen, als er Berlin verließ, und bei Elmar Pieroth sei das umgekehrte Phänomen zu bewundern: „Als er zurückkehrte, wurde er sofort wieder unbedeutend. Einer der vielen Provinzheinis aus einem verrückt gewordenen Dorf.“ Ute Scheub