Keine polizeitaktischen Überlegungen

■ Der umstrittene australische Bioethiker Peter Singer kommt nicht nach Heidelberg

Berlin (taz) — Wieder einmal ist der fünfzigjährige Peter Singer, Direktor des Zentrums für Humane Bioethik an der Monash Universität in Melbourne, ausgeladen worden. Anfang Mai sollte der Bioethiker in Heidelberg an dem Kongreß „Science-Fiction. Fundamentalismus und Beliebigkeit in Wissenschaft und Therapie“ teilnehmen und mit Kritikern seiner Thesen über die „Entscheidung zwischen Leben und Tod“ diskutieren.

Singer tritt nicht nur für einen neuen ethischen Verhaltenskodex im Umgang mit Tieren ein, sondern wollte unter anderem darüber diskutieren, ob schwerst hirngeschädigte Kinder ein lebenswertes Leben führen können. Doch der Kongreß wird ohne ihn stattfinden. Bereits im Vorfeld war es zu einem Proteststurm gekommen. Die Veranstalter der Fachtagung, das „Heidelberger Institut für systemische Forschung“, zogen daher die Einladung aus Angst vor gewalttätigen Störungen wieder zurück.

Anders als in angelsächsischen Ländern, der Schweiz und den Niederlanden werden die von Singer angesprochenen Fragen in der bundesrepublikanischen Ethikdiskussion ausgeklammert. Schon in Dortmund und Marburg führten Proteste und Drohungen aus Reihen der Behindertenverbände dazu, daß Singer in den vergangenen Jahren im letzten Moment wieder ausgeladen wurde. Der Rowohlt Verlag zog sogar ein druckfertiges Buch aus Angst um das leibliche Wohl seiner Mitarbeiter wieder zurück. Die Heidelberger Veranstalter begründen ihre Ausladung unter anderem damit, daß man „eine vernünftige Diskussion über anstehende bioethische Fragen“ anstoßen und keine „polizeitaktischen Überlegungen“ anstellen wollte. Das „Heidelberger Institut für systemische Forschung“ gilt als eines der führenden deutschen Institute für Einzel-, Paar- und Familientherapie. Schon vor fünf Jahren sorgte ein Kongreß der Heidelberger unter dem Titel „Das Ende der großen Entwürfe“ für großes Aufsehen. Jürgen Berger

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