Geburtstag von Sinti und Roma

■ Sie möchten nach 25 Jahren endlich als Gruppe in Deutschland anerkannt werden und fordern einen Sozialfonds

Berlin (taz) – Die Internationale Romani Union (IRU) hat Geburtstag. Am 8. April 1971 kamen Roma und Sinti in London zu einem ersten Kongreß zusammen. Zum 25. Jahrestag seines Bestehens hat sich ihr Verein nun von der Bundesregierung etwas gewünscht: Deutschland solle, so IRU-Präsident Rajko Djurić, die Initiative für einen europäischen Sozialfonds übernehmen, aus dem bildungs- und kulturpolitische Projekte finanziert werden.

Dies wäre ein wichtiger Schritt zur Integration insbesondere der jugendlichen Sinti und Roma. „Ich glaube, Deutschland hat immer noch eine moralische und historische Pflicht gegenüber unserer Volksgruppe.“ Der Sozialfonds solle ähnlich organisiert werden wie die Kriegsentschädigung für die vom NS-Regime verfolgten Juden. Die IRU zählt neben dem Roma National Congress und dem Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma zu den wichtigsten Roma-Organisationen.

In der Bundeshauptstadt waren am Montag abend rund 1.000 Menschen zu einem Festakt anläßlich 25 Jahre Internationale Roma Union zusammengekommen. Präsident Djurić zog Bilanz: Als bedeutendstes Resultat der Vereinsarbeit wertete er es, von den Vereinten Nationen als Nichtregierungsorganisation anerkannt worden zu sein. Außerdem arbeite die IRU in einigen UN-Untergruppen mit. Unter anderem werden heute in Österreich und Makedonien Sinti und Roma als Minderheiten offiziell anerkannt. In Tschechien gebe es einen Roma-Lehrstuhl und in Ungarn ein Roma-Gymnasium. In Deutschland sei die wertvollste Kulturinstitution das Roma-Theater in Mülheim an der Ruhr. Die Anerkennung als Minderheit stehe hierzulande dagegen noch aus.

Die Roma-Union forderte, die in Deutschland lebenden Roma- Flüchtlinge aus dem früheren Jugoslawien nicht wieder dorthin abzuschieben – außer, sie wollten freiwillig zurück.

Nach Titos Tod suchten Anfang der 80er Jahre viele Sinti und Roma in Deutschland Zuflucht, weil sie in Jugoslawien immer stärker benachteiligt wurden. Mit dem Ausbruch des Balkankrieges und der offenen Diskriminierung setzte eine Massenflucht ein, in deren Verlauf 40.000 Menschen in die Bundesrepublik einwanderten. In Jugoslawien hätten sie früher die größten Entfaltungsmöglichkeiten gehabt, so der Berliner Romani-Sprecher Jörg Becken. „Heute sitzen sie zwischen allen Stühlen, ihr Schicksal wurde in Dayton nicht geregelt.“

In Deutschland wollten nach 1945 die meisten Roma-Familien aus Angst vor neuem Rassismus ein möglichst unauffälliges Leben führen. Rastplätze für Durchreisende wurden in der jungen Republik geschlossen, und die Roma nahmen „Integrationsangebote“ selbst in Ghettosiedlungen an.

Die erst in den 70er und 80er Jahren in Deutschland entstandenen Roma-Vereine kämpften vor allem für das Bleiberecht ihrer Volksgruppe. Erst seit 1989 gingen die Selbstorganisationen zu einer offensiveren Politik über, machten mit Straßenaktionen, Besetzungen und Bettelmärschen auf ihre Forderungen aufmerksam. Markus Grill