■ Der „kritische Dialog“ mit Iran wäre erst sinnvoll, wenn die andere Seite bereit ist, ihre starre Haltung aufzugeben
: Bisheriges Ergebnis: Null

Die Vizeaußenminister Italiens, Spaniens und Irlands, die im Auftrag der EU Mitte der Woche nach Teheran fuhren, um dort den auch von Bundesaußenminister Klaus Kinkel vielbeschworenen „kritischen Dialog“ mit dem iranischen Regime wiederaufzunehmen, hätten sich das Fahrgeld sparen können. Ali Akbar Welajati, der iranische Außenminister, blieb bei der Feststellung, daß sich der nahöstliche Friedensprozeß in den vergangenen zwei Jahren als Fehlschlag erwiesen habe und sich deshalb an der Haltung Irans auch nichts ändern werde. Im Klartext: Das iranische Regime wird weiter jenen palästinensischen Gruppen, allen voran Hamas und den von ihr gelenkten Terrorgruppen, die den Friedensprozeß sabotieren wollen, seine Unterstützung gewähren.

Die iranische Begründung dafür ist so alt wie deprimierend schlicht: Man müsse unterscheiden zwischen organisiertem Terror und rechtmäßigem Befreiungskampf, wobei geflissentlich übersehen wird, daß die PLO unter Arafat inzwischen durch demokratische Wahlen überzeugend legitimiert ist, sich das Morden der Hamas zumindest indirekt also gegen die eigene gewählte Volksvertretung richtet, auch wenn – bisher – vor allem Israelis die Opfer waren.

Apropos rechtmäßiger Befreiungskampf: Die vier Kurden, die 1992 im Restaurant „Mykonos“ in Berlin ermordet wurden, kämpften für eine Autonomie der Kurden im Iran, befanden sich also auch in einem „rechtmäßigen Befreiungskampf“. Der Drahtzieher der Morde war, so scheint inzwischen bewiesen, kein Geringerer als Herr Fallahian, Ministerkollege Herrn Welajatis in Teheran.

Die internationale arabische Zeitung al-Hayat will von einer nicht näher genannten „informierten Quelle“ erfahren haben, daß in den Gesprächen der drei EU-Vizeaußenminister mit Welajati neben dem Terrorismus zwei weitere Themen behandelt wurden: die Menschenrechte im Iran ganz allgemein und der Fall Salman Rushdie im besonderen – wobei „die Iraner ihren Standpunkt ohne jede Modifikation bekräftigten“. Das kann nur bedeuten, daß das iranische Regime weder daran denkt, die Verfolgung religiöser Minderheiten und unliebsamer Intellektueller im Lande selbst einzustellen, noch die sogenannte Fatwa Chomeinis gegen den Schriftsteller zurückzuziehen. Und das, obwohl dieses „Rechtsgutachten“ selbst den minimalsten islamrechtlichen Anforderungen nicht genügt, sondern schlicht ein terroristischer Mordaufruf eines vergreisten Mannes ist, der sich wegen einiger deftiger Anspielungen auf ihn in Rushdies „Satanischen Versen“ beleidigt fühlte.

Die Minister-Troika blieb nach dem „kritischen Dialog“ in Teheran recht einsilbig, weil zuerst der EU-Ministerrat informiert werden solle. Das einzig Positive, was sie zu verkünden hatte, war, daß „nützliche Klärungen“ erfolgt seien, wobei weder deren Inhalt noch deren Nützlichkeit näher definiert wurde. Und wenn der italienische Staatssekretär Di Camerana dem Teheraner Rundfunk gegenüber erklärte, die Gespräche seien positiv verlaufen, so wartete man vergebens auf eine Meldung, worin dieses Positive zu sehen ist.

Damit stellt sich die Frage nach der Nützlichkeit des „kritischen Dialogs“ mit Teheran überhaupt. Nimmt man den Fall Rushdie als schlichten Richtwert dafür, ist das Ergebnis bisher Null. Immer wieder hat Teheran zwar in mündlichen Botschaften und schriftlichen Ankündigungen erklärt, daß von staatlicher Seite eine Verfolgung Rushdies in Europa nicht mehr betrieben werden solle, doch eine definitive Zusage fehlt bis heute. Und selbst wenn diese eines Tages kommen sollte, bleibt die Fatwa bestehen, und manch ein jugendlicher Heißsporn in den – Gott sei Dank zahlenmäßig immer noch kleinen – radikalisierten islamistischen Gruppen in Europa wird es sich als Ehre anrechnen, dem Mordaufruf zu folgen.

In einem Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger hat Kinkel noch am Dienstag für die Gespräche in Teheran gefordert, daß sich der Iran von den terroristischen Aktionen der Hamas distanziert und sich unzweideutig für den Friedensprozeß im Nahen Osten ausspricht. Dies ist inzwischen eindeutig nicht geschehen. Im selben Interview bestritt Kinkel vehement, daß Deutschland als wichtigster Handelspartner des Iran seine Wirtschaftsinteressen über alle anderen Belange stelle. Es ist nicht das erste Mal, daß Kinkel dies betont. Im Arabischen gibt es das geflügelte Wort fi t-takrar ishara, „in der Wiederholung liegt ein Hinweis“. Soll heißen, durch das ständige Beteuern einer Aussage wird diese nicht glaubwürdiger, im Gegenteil. Daß angesichts der völligen Ergebnislosigkeit der Teheraner Gespräche der „kritische Dialog“ dennoch fortgeführt werden soll, bestärkt eher den Verdacht, daß es den Europäern, allen voran den Deutschen, in erster Linie eben doch um wirtschaftliche Interessen geht. Und damit fühlen sich wieder jene kritischen Geister im Nahen Osten bestätigt, die die ständigen Forderungen des Westens nach Einhaltung der Menschenrechte als scheinheilig und verlogen ansehen.

Damit soll nicht gesagt werden, daß Gespräche mit dem Iran grundsätzlich abzulehnen sind. Im Gegenteil. Doch muß die andere Seite auch zu erkennen geben, daß sie gewillt ist, sich in die richtige Richtung zu bewegen. Solange dies nicht geschieht, sollte man nicht ständig um Teherans Gunst buhlen, weil dies das iranische Regime in seiner Haltung nur bestärkt und die Glaubwürdigkeit der Europäer aufs Spiel setzt.

Die Amerikaner haben die Brücken zum Iran mehr oder weniger abgebrochen und fordern von den Europäern, es ihnen gleichzutun. Glaubwürdiger sind sie in ihrer Menschenrechtspolitik im Nahen Osten dennoch nicht. Zu offensichtlich messen sie mit zweierlei Maß, und dies auch ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen, wie ihre engen Beziehungen zu Saudi-Arabien zeigen, wo Menschenrechtsverletzungen mindestens ebenso an der Tagesordnung sind wie im Iran und ebenfalls religiös kaschiert werden. Von einem „kritischen Dialog“, auch nicht der Europäer, mit Saudi-Arabien war bislang nichts zu hören, und dies auch nicht zu einer Zeit, als das Königreich noch einer der wichtigsten Geburtshelfer und Unterstützer radikaler islamistischer Gruppen im Nahen Osten und Nordafrika war – bevor es sich im eigenen Land mit einer islamistischen Opposition konfrontiert sah.

So hat die gegenwärtige Nahost- Politik des gesamten Westens einen schalen Beigeschmack. Die Menschenrechte, um die es angeblich geht, bleiben dabei auf der Strecke. Gernot Rotter