Eurofernsehen aus Gütersloh

■ Der Bertelsmann-Konzern hat sich die Vorherrschaft bei RTL gesichert. Durch die Fusion mit Luxemburgs CLT mausert er sich zum europäischen Fernsehgiganten Von Michael Rediske

Eurofernsehen aus Gütersloh

Noch ist unser gutes altes Fernsehen kein Auslaufmodell. Noch ist die Finanzierung von ARD und ZDF gesichert – genau gesagt, bis zum Jahr 2000. Und noch werden wir von ihnen und dem werbefinanzierten Fernsehen komfortabel mit Filmen und Sportübertragungen bedient. Doch wie lange noch? Gerade hat der Pay-Sender premiere die Rechte für das UEFA- Pokalspiel der Bayern in Barcelona ersteigert. Und wer nicht gerade im süddeutschen Raum wohnt und den ORF empfangen kann, wird sich nach einem Bekannten umsehen müssen, der premiere abonniert hat.

Sobald das digitale Fernsehen mit seinen vielen Kanälen in diesem Sommer startet, werden nach und nach immer mehr Sporthits nur noch verschlüsselt ausgestrahlt und gegen Geld zu sehen sein. Die großen Medienkonzerne haben sich längst darauf eingestellt, daß sie in zehn Jahren ihr Geld vor allem mit Pay-TV verdienen wollen. Und weil das riesige Investitionen braucht, die ein Konzern allein über lange Zeit kaum aufbringen kann, fusionieren sie, eine sogenannte strategische Allianz jagt die andere.

In den USA ging es los: Im vergangenen Jahr fusionierte Disney mit ABC und Time Warner mit CNN-Eigner Turner. Und in Deutschland tobt seit dem letzten Sommer der Kampf um den Zukunftsmarkt Fernsehen, Online- Dienste und Telekommunikation. Allen voran die großen Konkurrenten Kirch und Bertelsmann. Seit Dienstag abend haben sich nun die Gewichte verschoben: Bertelsmann wird der neue Fernsehgigant auf dem europäischen Kontinent, in einem Gemeinschaftsunternehmen (50:50) mit der CLT (Compagnie Luxembourgeoise de Télediffusion). Bisher schon der Welt drittgrößter Medienkonzern, waren die Gütersloher, die von ihrer Hamburger Tochtergesellschaft, der traditionsreichen Ufa verwaltet werden, im Fernsehgeschäft stets schwach auf der Brust. Lediglich in Deutschland präsent, erlebte Bertelsmann erst mit seinem „Informationssender“ Vox eine Pleite (und mußte sich dort von Murdoch aus der Patsche helfen lassen). Bei RTL, dem deutschen Sender mit den höchsten Einschaltquoten, kam man über eine Minderheitsbeteiligung (47,5 Prozent) lange nicht hinaus. Das Sagen dort hatte traditionell die CLT, Gründerin der europaweiten RTL-Kette.

Und das ärgerte verständlicherweise den fünfmal größeren Bertelsmann-Konzern (Umsatz: über 20 Milliarden Mark), der immer noch zwei Drittel seines Geschäftes mit gedruckten Medien macht und gern auch Europas Nummer eins beim Fernsehen würde. Um die CLT bei RTL auszutricksen, verbündete er sich (wieder mal „strategisch“) mit der WAZ- Gruppe, die 11 Prozent an dem Sender hält, und kaufte Burda seinen Anteil von zwei Prozent ab.

Die Luxemburger, traditionell auch mit diplomatischen Finessen unterstützt von der Regierung ihres Großherzogtums, fingen an zu kämpfen. Sie pochten auf ein Vorkaufsrecht für den Minianteil und zogen vor Gericht. Da, vor dem Oberlandesgericht Hamburg, sollten sie sich eigentlich am Montag treffen. Doch schon letzten Donnerstag hatten sich Bertelsmann- Vorstand Dornemann und CLT- Miteigner Frère zusammengesetzt, um anstatt des Streits um den Mini- RTL-Anteil den großen Coup auszuhandeln: eine Fusion.

Der CLT blieb allerdings auch nicht mehr viel anderes übrig. Lange Zeit hatte sie alles für den Start digitaler Programmpakete in Frankreich und Deutschland vorbereitet. Nur eins fehlte: vernünftige Programme. Die sollten eigentlich von Rupert Murdoch kommen. Als alles schon klar schien, schwenkte der plötzlich um und einigte sich mit Bertelsmann und seinen Verbündeten: Gemeinsam sollte in Deutschland premiere mit seinen gut einer Million Abonnenten der Startpunkt für das digitale Pay-TV werden.

Jetzt stand die CLT ohne mächtigen Partner da. Und so verzichtete sie lieber auf das geplante eigene Programmbouquet und schloß sich Bertelsmann an. Der Termin beim OLG Hamburg konnte am Montag zur beiderseitigen Zufriedenheit abgesagt werden, und Dienstag abend stimmte der CLT-Aufsichtsrat dem neuen Gemeinschaftsunternehmen zu. Schon im letzten Jahr hatte der Bertelsmann-Vorstand eine Milliarde Mark dafür zurückgelegt, die CLT zu kaufen. Jetzt machten die CLT-Eigner (neben der belgischen Gruppe Frère Lambert vor allem der französische Havas-Konzern) sogar noch mehr Kasse: 1,5 Milliarden wird Bertelsmann, dessen Fernsehbeteiligungen weniger wert sind als die der CLT, ihnen zahlen, damit künftig jeder Seite 50 Prozent gehören.