Die Reibung der Welten

■ Versponnen, schrecklich, kindlich: Der junge Regisseur Jens-Daniel Herzog schlägt Schneisen in Shakespeares Mittsommernachtstraum im Thalia

Der Wald ist aufgebaut, die Elfen haben ihre Plätze und Puck hat seinen Text gelernt. Das Stück um die Mächte von Liebe und Nacht, um die Verwirrung der Gefühle, steht. Hermia und Lysander können sich nun kriegen, aber auch Helena und Demetrius, und alle angezauberten Eselsköpfe sind aufgetaucht und wieder verschwunden: Nach getaner Arbeit muß Regisseur Jens-Daniel Herzog, der Shakespeares wunderschönes Nachtstück Ein Mittsommernachtstraum im Thalia in Szene gesetzt hat, jetzt nur noch der Unruhe nachkommen, die ihn füllt. „Überall da, wo einem nichts besseres mehr einfällt, setzt das Gefühl ein, daß nun Schluß ist. Erst nach der Premiere kommt der zweite Teil der Arbeit, die mit dem Publikum als realer Kraft im Raum geleistet wird.“ Jetzt muß er also warten, und sitzt vor Tee und Cola und hofft, daß das Schiff auch schwimmt. Die besondere Kom-plexität des Stoffes, die Ebenen, die es herauszuschälen gilt, haben ihn besonders gereizt: „Wenn man sagt, es sind drei Stücke, vielleicht sogar vier, dann will man doch auch gucken und hören, wie es knirscht und kracht im Gebälk. Es gibt da schließlich eine proletarische Welt, eine bürgerliche und eine Machtwelt. Die treffen aufeinander – was nicht nur heil abgehen kann –, vor allem da diese Welten ihrerseits auf eine Art absolute Gegenmacht stoßen, nämlich die Liebe, die Sexualität, die nicht zu vergesellschaften zu sein scheint.“

Der knapp über 30jährige Spielleiter an den bedeutsamen Münchner Kammerspielen ist mit dieser Arbeit zum ersten Mal in Hamburg. „Ich bin in der glücklichen Lage, mir die Stücke auszusuchen, die ich mache. Ich habe ja eine feste Anstellung, und es ist eher mit Schwierigkeiten verbunden, wegzugehen. Da geht man dann nur wegen schöner Dinge und wegen eines schönen Ensembles, wie es hier im Moment zusammen ist.“

Mit Größen wie Hans Kremer, Ulli Maier, Ignaz Kirchner, Axel Olsson und Werner Wölbern hat Herzog sich eine leckere Besetzung zusammenstellen können. Nicht das Allgemeingültige wollte er mit den Schauspielern erarbeiten, sondern das Persönliche: „Von sich erzählen, und nicht unbedingt nur das Stück bedienen, oder den Shakespeare, oder die Liebe. Jeder sollte vielmehr so weit wie möglich sich einbringen, mit dem, was er von der Liebe erzählen kann. Wir haben versucht, nicht eine Schneise in das Stück hineinzuschlagen und die dann zu begehen, sondern das Dralle wie das Versponnene, das Schreckliche wie das Kindlich-Leichte zu spielen.“ Beim Erarbeiten der Figuren, das Herzog sich befreit vom Bedienen jeglicher Stadttheaterklischees wünschte, wurde schnell klar, daß Shakespeares Vorgehen kein rein psychologisches ist, wie wir es heute gewohnt wären: „Bei dem Wirkungsmechaniker Shakespeare kommt man mit Psychologie irgendwann nicht weit genug. Da bleibt ein unaufklärbares Moment im Verhalten zwischen den Leuten bestehen. Und man muß die Schauspieler dazu bringen, es ohne vorauseilenden Gehorsam geschehen zu lassen.“

Jetzt kann der Regisseur bis zur Premiere dieses Traums um Liebesfähigkeit und die Möglichkeit und Unmöglichkeit von Treue nur noch warten. Und auf den Beistand der Elfen hoffen.

Thomas Plaichinger

Premiere, Do., 4. 4., 20 Uhr, Thalia