"Das war sehr doof"

■ Aus Idealismus spionierte ein Ehepaar für die Stasi die SPD aus. Frau sitzt für SPD in der BVV Tempelhof, die Partei weiß von nichts

Solche Schlußworte von Angeklagten sind selten: „Mir fällt ein Stein vom Herzen, ich fühle mich jetzt viel freier und möchte mich bei allen Prozeßbeteiligten bedanken.“ Zum Zeichen, daß eine Last von ihm abgefallen sei, wirft der bieder-gemütlich wirkende Rentner Wolfgang K. (63) seine Arme hoch – die Geste wirkt ehrlich. Auch seine mitangeklagte Ehefrau Hannelore K. (61) macht keinen bedrückten Eindruck, nicht einmal bei der Urteilsverkündung des Kammergerichts: Wegen langjähriger Agententätigkeit für die Stasi erhält er 18 und sie 10 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Wütender dürfte die Reaktion in der SPD ausfallen. Denn Wolfgang K. war dort lange Jahre aktiv, und Hannelore K. ist immer noch SPD-Bezirksverordnete in Tempelhof. Bis heute wisse die Partei von nichts, gibt der Ehemann zerknirscht zu.

Dabei war der gebürtige Sachse und spätere Westberliner zumindest am Anfang seiner 32 Jahre währenden Stasi-Zuarbeit ein idealistischer Überzeugungstäter. Wie seine Frau entstammte er einer sozialdemokratischen Familie, wie sie trat er in den fünfziger Jahren in die Partei ein. Als Chruschtschow 1956 die Greueltaten Stalins zu enthüllen begann, erfüllte den Genossen K. vom linken Parteiflügel Aufbruchstimmung. In Hoffnung auf ein Ende des Kalten Krieges und auf eine Zusammenarbeit der „fortschrittlichen Kräfte“ beider deutscher Staaten bot er sich 1957 der Stasi als Zuträger aus dem Westen an. „Von heute aus betrachtet, ist das erbärmlich doof“, gibt er zu.

Von da an lieferte er mehr oder weniger regelmäßig Materialien in den Osten: Bezirks-Interna seiner Partei oder auch Informationsbruchstücke für Personaldossiers über Klaus Schütz und andere Sozialdemokraten. Die Stasi hätte gerne mehr aus diesem kleinen Agenten gemacht, sie drängte ihn zum Jura-Studium, damit er später die Innenverwaltung ausspionieren könne. Aber Wolfgang K., inzwischen vierfacher Vater, wollte lieber Geld verdienen. Er heuerte beim Landesamt für elektronische Datenverarbeitung und ab 1988 beim Notaufnahmelager Marienfelde an, wo er für Aussiedler aus Polen und Rußlanddeutsche zuständig war. Was er von dort aus nach Ost-Berlin weitergab – „allgemein zugängliche Informationen, aber niemals Akten“ – machte Mielkes Mannen unzufrieden. In den achtziger Jahren, sagte der Rentner auf der Anklagebank, hätte er am liebsten den Kontakt beendet. Aber er hätte sich nicht getraut. „Ich habe Angst, daß sie mich verhaften, weil ich nie das tue, was sie von mir wollen“, vertraute er seiner Frau an. Diese Angst habe sie nie so recht verstanden, sagt seine Gattin vor Gericht, „aber das ist vielleicht sein Naturell“.

Hannelore K. war seit 1969/70 eingeweiht, welche seltsamen Indianerspiele ihr Mann da trieb und warum er manchmal beim Hubertussee durch den Stacheldraht in den Osten schlüpfte. Schon bald begleitete sie ihn zu den Treffs in konspirative Wohnungen. Von den Gesprächen dort wurde sie „separiert“, dennoch will sie erst 1985 endgültig mitbekommen haben, daß es sich um Stasi-Gespräche gehandelt habe. Um ihren Mann psychisch zu unterstützen, übernahm sie ab 1981 Kurierdienste für einen anderen West-Spion. Wie ihr Mann, bekam auch sie eine geringe Aufwandsentschädigung.

Aus finanziellen Gründen, so das Gericht bei der Urteilsbegründung, seien die beiden sowieso nicht zu Spionen geworden. Das spreche zu ihren Gunsten, ebenso, daß sie keiner Person konkret geschadet und nur „weitgehend öffentlich zugängliches Material“ geliefert hätten. Dennoch muß der Rentner zusätzlich zu seiner Bewährungsstrafe einen Teil seines Agentenlohnes zurückzahlen – 13.000 von insgesamt rund 50.000 Mark in 32 Jahren. Und die Bezirksverordnete? Wird sie nun zurücktreten müssen? Ute Scheub