Handwerk hat gute Chancen

Wer sich selbständig macht, bekommt Hilfe: Die Handwerkskammer gibt Tips, die Senatsverwaltung zahlt Gründungsprämien an junge Meister  ■ Von Volker Wartmann

„Unsere Motivation war, daß wir ökologisch malen wollten“, sagt Sylke Egner. „Aber man kommt damit nicht zu Potte, das ist einfach nicht gefragt. Vor kurzem haben wir zwar ein ganzes Haus ökologisch gemalert, aber rund 90 Prozent unserer Arbeiten führen wir konventionell aus.“ Sylke Egner ist die Meisterin des vierköpfigen Malerinnnenbetriebes Artmäleon. Im Mai 95 haben sich die vier Frauen selbständig gemacht. „Der Anfang war schwer. Wir haben keine Kredite bekommen und hatten keine Kontakte.“ Momentan arbeiten sich die vier noch mühsam von Auftrag zu Auftrag.

Das Handwerk scheint noch immer goldenen Boden zu besitzen. Ende 1995 zählte das Berliner Handwerk gut 26.000 Betriebe, 5.000 mehr als fünf Jahre vorher. Fast 9.000 der Betriebe haben ihren Sitz im Ostteil der Stadt. Das Handwerk beschäftigt derzeit mehr als 260.000 ArbeitnehmerInnen. Das sind im Vergleich zu 1990 fast 55.000 neue Arbeitsplätze. Eine von der Handwerkskammer in Auftrag gegebene Untersuchung über die Entwicklungs- und Wachstumschancen prognostiziert ein Potential von 90.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen: 50.000 bis zum Ende des Jahrzehnts, weitere 40.000 in den darauffolgenden zehn Jahren. Diese Ergebnisse werden nicht von der derzeitigen Stimmung getragen, „aber sie zeigen mit Deutlichkeit das Potential des Berliner Handwerks, wenn die unverändert hohe Nachfrage nach handwerklicher Leistungserbringung von Handwerksbetrieben der Region genutzt würde“, heißt es in einem aktuellen Positionspapier der Handwerkskammer.

Der Wunsch nach Selbständigkeit ist unvermindert groß. In den letzten fünf Jahren gab es in Berlin über 15.000 Existenzgründungen: rund 8.500 im Bereich des Vollhandwerks, über 6.500 im handwerksähnlichen Gewerbe.

„In welchen Bereichen sich Existenzgründungen am meisten lohnen, kann nicht pauschal gesagt werden“, so Rüdiger Grübler, Leiter des Referats Betriebsberatung der Handwerkskammer Berlin. „Dennoch ist es im traditionellen Bau- und Ausbaugewerbe wohl leichter zu bewerkstelligen als in anderen Bereichen.“ Mit einem ertrags- und nachfragestarken Handwerk sind die Chancen am besten. Letztlich hänge der Erfolg davon ab, welche Kontakte man in der Branche hat. „Der Markteinstieg ist das größte Problem. Kontakte zu möglichen Auftraggebern sind das Wichtigste.“

Große Innovationspotentiale sind nicht die Hauptvoraussetzung für Erfolg: „Über 90 Prozent aller Existenzgründungen sind nicht innovationsbezogen. Man braucht meist keine besondere Idee, sondern man muß Leistung bringen“, sagt Grübler. Die Handwerkskammer unterstütze potentielle Existenzgründer: „Wir leisten Hilfestellung bei der Aufstellung eines Finanz- und Investitionsplanes sowie bei der Rentabilitätsvorschau.“

Vom Senat gibt es eine besondere Hilfeleistung für junge Handwerksmeister: Wer seinen Meisterbrief noch nicht länger als drei Jahre hat und sich selbständig macht, kann in den Genuß der Meistergründungsprämie kommen. „Dieser einmalige Zuschuß beträgt 20.000 Mark“, erläutert Ingrid Witte, Sachbearbeiterin bei der Senatsverwaltung Wirtschaft und Betriebe. „Dieser Zuschuß ist vor allen Dingen für kleine Betriebe eine große Hilfe.“

Die Prämie gibt es seit 1985, in den 90er Jahren wurde sie jährlich durchschnittlich etwa 240mal beantragt. „Der Antrag dafür ist spätestens sechs Monate nach Aufnahme der Selbständigkeit über die Handwerkskammer zu stellen.“ Wird in den ersten drei Jahren mindestens ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer 12 Monate beschäftigt, muß die Prämie nicht zurückgezahlt werden. Witte: „Neben dem Handwerksbetrieb darf dann aber keine weitere Tätigkeit ausgeübt werden.“